DER STERN ODER DIE EWIGE WAHRHEIT
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führt. Mag sonst das jüdische Bewußtsein zwischen jenen in
der ursprünglichen innren Umkehr des heidnisch verschlos
senen zum er- und entschlossenen Menschen der Offenbarung
festgestellten beiden Lebenspolen, dem der eigensten Erfah
rung der göttlichen Liebe und dem der hingegebenen Auswir
kung der Liebe in der Heiligkeit des Wandels, hin und her
zucken in heißblütigen Übergängen, der Rest stellt beides zu
gleich dar: die Aufnahme des Jochs des Gebots und die des
Jochs des Himmelreichs. Wenn Messias »heute« kommt, der
Rest ist bereit ihn zu empfangen. Die jüdische Geschichte ist,
aller weltlichen Geschichte zum Trotz, Geschichte dieses
Rests, von dem immer das Wort des Propheten gilt, daß er
»bleiben wird«. Alle weltliche Geschichte handelt von Aus
dehnung. Macht ist deswegen der Grundbegriff der Geschichte,
weil im Christentum die Offenbarung begonnen hat, sich über
die Welt zu verbreiten, und so aller, auch der bewußt nur rein
weltliche Ausdehnungswille zum bewußtlosen Diener dieser
großen Ausdehnungsbewegung geworden ist. Das Judentum
und sonst nichts auf der Welt erhält sich durch Subtraktion,
durch Verengung, durch Bildung immer neuer Reste. Das gilt
ganz äußerlich schon gegenüber dem ständigen äußeren Ab
fall. Es gilt aber auch innerhalb des Judentums selbst. Es
scheidet immer wieder Unjüdisches von sich ab, um immer
wieder neue Reste von Urjüdischem in sich hervorzustellen.
Es gleicht sich ständig äußerlich an, um sich nach innen immer
wieder aussondern zu können. Es gibt keine Gruppe, keine
Richtung, ja kaum einen Einzelnen im Judentum, der nicht
seine Art, das Nebensächliche preiszugeben um den Rest fest
zuhalten, für die einzig wahre und sich also für den wahren
»Rest Israels« ansähe. Und er ists. Der Mensch im Judentum
ist immer irgendwie Rest. Er ist immer irgendwie ein Übrig
gebliebener, ein Inneres, dessen Äußeres vom Strom der Welt
gefaßt und weggetrieben wurde, während er selbst, das Übrig-
gebliebene von ihm, am Ufer stehen bleibt. Es wartet etwas in
ihm. Und er hat etwas in sich. Worauf er wartet und w r as er
hat, das mag er verschieden benennen, oft auch kaum benennen