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DRITTER TEIL: DRITTES BUCH
Menschensohn, er allein war es, dessen Hohepriestertum nicht
unter der Knechtsgestalt litt und dessen Menschlichkeit andrer
seits durch seine Göttlichkeit nicht geschmälert wurde. Im
Hinblick auf dies Bild eines, der wahrer Mensch und wahrer
Gott sei, und in seiner Nachfolge, gingen so die auf ihrem Er
oberungszug durch das Land der Seele stets getrennten Ge
stalten des Priesters und des Heiligen in eins; da konnte der
in jener Doppelgestalt und all den Trennungen, die sie noch
selber wieder in der Seele setzte, immer noch heidnisch viel-
spältige Mensch sich wenigstens in Nachfolge und Hoffnung
dem Sehnsuchtsbild einer Einheit des Herzens zubilden. Aber
wieder droht auch hier, wenn so vor dem Bilde des Menschen
sohns der letzte heidnische Seelenzwist wenigstens in der
Sehnsucht, und Hoffnung zur Herzenseinheit geschlichtet
scheint, schon eine neue Gefahr: eine Menschvergötterung
und Gottvermenschlichung, die über dem Menschen Gott
selbst vergäße und der über der gläubigen Sehnsucht nach
dem Niedertauchen in die stille Brunnenkammer der mannig
fachen Ausflüsse der Seele der schlichte Glaube an den über
menschlichen Gott und die tatfreudige Liebe zur gestaltbedürf
tigen Welt verloren zu gehen drohte. Die nordische Kirche,
die, getreu ihrem Ursprung bei Paulus und den deutschen Vä
tern, das Amt der Bekehrung des Seelenhaften, des Dichters
im Menschen, auf sich genommen hatte, sie zeigt hinfort das
große Bild jener Gefahr der menschvergötternden Gottver
menschlichung, die vor einer seelenlos gelassenen Welt und
dem Herrn der Geister in allem Fleisch sich flüchtet in den
.stillen Winkel der Sehnsucht und das eigene Herz.
Das All der verzauberten Welt entzauberten die Wege des
Staats und der Kirche. Auch sie, obwohl auch sie vom einen
Strahl des Sterns ausgehend, strahlten auseinander und schie
nen sich zu verfassen zum Gegensatz, der in der Welt Ord
nung von Ordnung, Welt von Welt schied. Und wiederum
brach vor diesem einfachen Gegensatz das Heidentum, das in
der Welt alles von allem, Staat von Staat, Volk von Volk,
Stand von Stand, Jeden von Jedem schied, immer wieder zu