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DRITTER TEIL; DRITTES BUCH
geboren zum neuen Gott, zur neuen Welt, zum neuen Men*
sehen. Nur als Schrifttäfelchen standen noch zu Häupten der
drei Kreuze die dunkeln von heidnischer Hand geschriebenen
Bezeichnungen, in denen die Christenheit den eignen offen
baren Sinn las: der verborgene Gott, der verschlossene
Mensch, die verzauberte Welt.
Das All des verborgenen Gottes enthüllten die Wege des
Vaters und des Sohnes. Sie strahlten aus vom Stern der Er
lösung, aber sie strahlten auseinander und schienen sich zum
Gegensatz zweier Personen verfassen zu wollen; vor dem
brach zwar das Heidentum in seiner grundsätzlichen Unbe
stimmtheit zusammen und immer wieder zusammen; denn jede
neue Unbestimmtheit verfing sich wieder in diesem stets ge
öffneten Entweder-Oder; die weltlich-gegenständlichen
Gründe, die zur Schaffung neuer Götter führen konnten, wur
den aufgefangen im Glauben an den Vater, die menschlich-per
sönlichen im Glauben an den Sohn. Das Heidentum war so
wirklich am Ende seiner Weisheit, aber das Christentum
schien über es den Sieg zu gewinnen nur, indem es seinen
Gottesbegriff selber ihm anpaßte und so das Ende der heid
nischen Weisheit nur erkaufte um den Fluch, dauernd auf dem
Anfang des Wegs bleiben zu müssen. So bezeichnete es selber
in dem Begriff des Geists, der aus beiden, aus Vater und Sohn
hervorgeht, den Punkt, wo sich beide, Vater und Sohn, jen
seits des Wegs, wenn erst die Welt sich unter diesem Kreuze
versammelt hat, wieder zusammenfinden. Die Anbetung Gottes
im Geist und in der Wahrheit, die Verheißung, daß der Geist
die Christenheit leiten wird, — darin erlischt der heidnische
Trieb, dem das christliche Credo sich anbequemen mußte, um
die Heiden zu gewinnen; er erlischt, um freilich einer neuen
Gefahr den Platz zu räumen: einer Geistvergötterung oder
besser einer Gottvergeistigung, die über dem Geist Gott selbst
vergäße, der in der erhofften Schau die lebendig unberechen
bar lebenschaffende und -weckende Gewalt Gottes selbst ver
loren ginge und die, trunken von der Hoffnung, ihn zu schauen,
und von der Fülle des Geistes, die Fühlung mit der in stetem