DER STERN ODER DIE EWIGE WAHRHEIT
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Denn zwar auch geschaut kann das Ganze nur werden, wo
es zum Teil geworden ist, und so kann das Ganze der Wahr
heit, die ganze Wahrheit nur geschaut werden, indem sie in
Gott gesehen wird. Dies ist das einzige, was in Gott gesehen
wird. Hier allein erlebt der Mensch nicht unmittelbar, sondern
Gott ists, der erlebt, und der Mensch schaut bloß zu. Seinen
Teil an der Wahrheit ergreift er noch in der unmittelbaren
Einheit von Erlebnis und Schau. Aber die ganze Wahrheit
kann er, eben weil sie die ganze ist und also nur Gott zu teil,
nur für Gott zum Teil werden kann, selber auch nur in Gott
schauen. Denn im Leben bleibt er Mensch; er mag wohl
Gott erleben — was sonst wäre die Offenbarung; ist doch
auch das Erleben eines Menschen, wie ein Mann seinen Freund
erlebt, gar nichts weiter als daß der eine versteht, was der
andre zu ihm spricht; während es nicht möglich ist, zu erleben,
was selbst der nächste Mensch an andern erlebt; davon und
nur davon, nicht vom unmittelbaren Wechselverkehr der Men
schen untereinander, gilt das harte Wort, daß keine Brücke
führt von Mensch zu Mensch.
Im Leben also bleibt der Mensch Mensch; und wenn er
auch Gottes Stimme vernehmen, Gott erleben kann, so erlebt
er deswegen mitnichten etwa auch das, was Gott selbst erlebt.
Im Schauen aber schaut er, eben weil er hier aus dem flüssi
gen Element des Erlebens ans Ufer tritt, unmittelbar was Gott
erlebt. Er schaut es in Gott. Gott selbst erlebt es. Das ist
ein großer Unterschied. Für ihn ist es immer nur Wahrheit.
Aber für Gott ist es mehr als Wahrheit. Für Gott ist es Er
lebnis. »Gott ist die Wahrheit« heißt: er trägt sie in sich, ihm
ist sie zu Teil. Das Wahrlich des Menschen, mit dem er sein
Teilhaben an der Wahrheit, die als ganze Wahrheit nur Gott
zu Teil ist, bewährt, ist gradezu die Gegenzeichnung, mit der
er die vom Herrn der Wahrheit ausgegangene Urkunde für
sein Teil und Amt als treuer Diener seines Herrn bestätigt.
Der Wahrheit, die Gottes Siegel ist, entspricht als Siegel des
Menschen das Wahrlich. Sein Wahrlich, sein Ja und Amen,
darf er sagen und soll es. Es ist ihm verwehrt, Wenn und Aber