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DRITTER TEIL: DRITTES BUCH
herrschen sie nicht, sondern sie leben. Als Herren nur des
Nichts aber werden sie selber zu — Nichtsen. Die Götter der
Heiden sind Nichtse, ruft der Psalmist. Sie sind nicht tot, bei
leibe nicht; dawider zeugt der Glaube ihrer Anbeter. Götter,
an die eine lebendige Welt glaubt, können nicht weniger leben
dig sein als diese Welt selber. Aber sie sind in ihrer Lebendig
keit ebenso schwankend, ebenso gespenstisch, ebenso unter
tan dem allmächtigen Vielleicht wie diese Welt und diese ihre
Anbeter. Es fehlt ihnen das Knochengerüst der Wirklichkeit,
die eindeutige Richtung, der feste Platz, das Wissen um
Rechts und Links, Oben und Unten, das erst mit der Offen
barung in die Welt kommt. So sind sie in all ihrer Lebendig
keit »Nichtse« — denn »wie sie sind ihre Bildner, jedweder der
zu ihnen hofft« —, und ihrer Geschaffenheit, ihrem verborge
nen Leben in bergender Himmelsburg, setzt der Psalmist un
mittelbar entgegen, was seinen Gott von jenen Nichtsen unter
scheidet: er hat den Himmel gemacht.
Was Gott, der wahre Gott, vor der Schöpfung gewesen
wäre, entzieht sich so jedem Gedanken. Nicht so, was er nach
der Erlösung sein würde. Zwar unser lebendiges Wissen
offenbart uns auch hier vom Wesen Gottes nichts über den Er
löser hinaus. Daß er der Erlöser ist, ist das Letzte, was wir
am eigenen Leibe erfahren; wir wissen, daß er lebt und daß
unsre Augen ihn schauen werden. Aber selbst innerhalb dieses
uns offenbaren Wissens nahm Gottes Erlösertum einen beson
deren Rang ein: anders als seine Schöpfermacht und seine
Offenbarungsfülle, die beide sich über ein andres, Gegenständ
liches, Gegenüberstehendes ergossen, wirkt es auf andres
nur mittelbar: den Menschen erlöst es an der Welt, die Welt
durch den Menschen. Unmittelbar aber geschieht die Erlösung
nur Gott selbst. Ihm selbst ist sie die ewige Tat, in der er sich
selber befreit davon, daß ihm etwas gegenübersteht, was nicht
er selbst ist. Die Erlösung befreit ihn von der Arbeit an der
Schöpfung wie von der lieben Not um die Seele. Die Erlösung
ist sein Ruhetag, sein großer Sabbat, auf den der Sabbat der
Schöpfung nur vordeutet, der Tag wo er, erlöst von allem