DRITTES BUCH
DER STERN
ODER
DIE EWIGE WAHRHEIT
OTT ist die Wahrheit. Wahrheit ist sein Siegel, daran
er erkannt wird, auch wenn einst alles, woran er in der
V—.> Zeit seineEwigkeit zu erkennen gab, alles ewige Leben,
aller ewige Weg, sein Ende fand, dort wo auch Ewiges sein
Ende findet: in der Ewigkeit. Denn nicht bloß der Weg endet
hier, auch das Leben. Ewiges Leben währt ja nur solange, als
überhaupt Leben währt. Nur im Gegensatz zum stets nur zeit
lichen Leben der Bahner des ewigen Wegs gibt es ewiges
Leben. Das Verlangen nach Ewigkeit, wie es aus den Schäch
ten dieser Zeitlichkeit stöhnt, nimmt wohl die Gestalt einer
Sehnsucht nach ewigem Leben an, aber nur weil es selber
zeitliches Leben ist. In Wahrheit, in der Wahrheit, schwindet
auch das Leben. Es wird nicht zum Wahn, wie der Weg zum
Wahn ward, über den das Meer des Lichts seine Fluten zu
sammenschlug, aber es geht auf in Licht. Es verwandelt sich:
wenn es sich aber verwandelt hat. so ist das Verwandelte
nicht mehr. Das Leben stieg ins Licht. Das stumme Dunkel der
Vorwelt hatte im Tod Sprache gewonnen. Über den Tod war
ein Stärkeres, die Liebe, gekommen. Die Liebe hatte sich zum
Leben entschlossen. Und wie die Vorwelt im Tod ihr Wort ge
funden hatte, so sammelt sich das Leben nun in dem Schwei
gen der Überwelt und wandelt sich in Licht. Gott ist nicht
Leben, Gott ist Licht. Des Lebens ist er Herr, aber er ist so
wenig lebendig wie er tot ist; und das eine oder das andre
von ihm auszusagen, mit dem Alten, daß er »Leben habe«, und
mit dem Neuen, daß er »tot ist«, verrät die gleiche heidnische
Befangenheit. Nur jenes Weder=Noch von tot und lebendig,
nur jener zarte Punkt, wo sich Leben und Tod berühren und