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DRITTER TEIL: ZWEITES BUCH
Bei ihm ist der Mensch immer Kind. Aber die Welt macht
Unterschiede. Ihr sind die Lebensalter nicht gleichgültig.
Kind, Jüngling, Mann und Greis — jedem weist sie andre
Werke zu, jedem zeigt auch sie selbst sich anders. Bei Gott
gibt es keine Unmündigen, aber im Volk wohl. Bei Gott gibt
es keine Alten, aber im Volk wohl. Lebte der Mensch nur im
Volk, so müßte er sich selber immer anders erscheinen. Indem
er bei Gott ist, weiß er wohl, daß er immer der gleiche bleibt
Aber dieser Einheit seines Lebens, daß er immer der gleiche
bleibt, indem er immer anders wird, dieser Einheit in ihm von
Erhaltung und Erneuerung, dieser Einheit seines Lebens im
Wandel der Zeit versichert ihn erst das selber in diesem
Wandel immer wiederkehrende Jahr, das beide, die Erhaltung
und die Erneuerung, die Feste der Ewigkeit und die Feste der
Zeit, in seinen Reigen schlingt. Grade weil es den Widerspruch
der beiden, Ewigkeit und Zeit, Kirche und Welt, weder ver
schleiert noch etwa überwunden hat, sondern einfach ihn dar
stellt wie er ist, grade dadurch läßt es den Menschen seine
eigne Einheit erleben. Im immerwiederkehrenden Kreis des
Jahrs mündet ihm seine unalternde Gotteskindschaft immer
wieder in die von Jugend zu Alter wachsende Weltkindschaft
und wieder zurück; jedes erhält und erneuert sich im andern.
Im Christen kreuzen sich die Kräfte, die sich sonst gegen
seitig aufzuheben scheinen. Das Christentum gewährt ihnen
keine Zuflucht jenseits dieser Widersprüche. Es nimmt sie alle
in sich auf und stellt den Christen mitten hinein in die Mitte,
die zugleich — für den, der dort steht — ein Anfang ist. Das
Kreuz verneint nicht noch vernichtet es den Gegensatz, son
dern es faßt ihn zur Gestalt. Gestalt entsteht nicht durch
Machtspruch, Gestalt ist nicht Gewalt, Gestalt will hervor
gebildet, erstellt, gestaltet sein. Der Weg des Christen ist in
jedem Augenblick Kreuzweg. Dem jüdischen Leben, das in
jedem Augenblick am Ziel war, konkurriert der Staat mit
seinen unaufhörlichen Zielsetzungen, mit seinem immer wieder
in den Raum und die Zeit hineingeschrieenen Feldgeschrei:
bis hierher und nicht weiter; die Ewigkeit des ewigen Volks