DIE STRAHLEN ODER DER EWIGE WEG
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der eignen Seele. Nur ihr wird in der Taufe ewiges Leben
verbürgt; nur in ihr wechselt so ewig Erhaltung und Erneue
rung. Der Welt ist kein ewiges Leben verliehen; an ihr bricht
der Kreis des einzelnen Lebens auseinander und fließt hinein
in die Spirale einer Geschichte, in der über die ewige Erhal
tung und Erneuerung der Seele ständig der säkulare Fortschritt
der Welt Gewalt gewinnt. Das Kirchenjahr rundet sich nur
dem Einzelnen; für ihn gibt es ein Zuhause. Aber der Welt
und ihren Jahren und Jahrestagen ist das Kirchenjahr nur eine
Herberge, die wohl offen steht für alle diese Gäste, die aber
noch jeder Gast wieder verließ. Das ewige Volk ruht schon
im Hause des Lebens; die Völker der Welt bleiben auf dem
Weg. Nur die Seele hat schon nachhause gefunden. Sie weiß
daß ihr Erlöser lebt, nicht weniger gewiß als sie es im ewigen
Volk weiß. Ihr schließt sich der Kreis des Jahrs.
Ihr schließt sich das Jahr im Wechsel von Erhaltung und
Erneuerung. Die christliche Welt, schon das christliche Volk
leben in der Spirale der Weltgeschichte. Sie wissen, daß ihre
Erinnerungstage Marksteine ihres Weges sind und mit den
Jahrhunderten wechseln. Aber der Einzelne schaut nicht so
weit. Er ist zufrieden, wenn ihm der eigne Namenstag all
jährlich im Kalender wiederkehrt. Ihm bedeutet die Kreuzung
der beiden Richtungen, der göttlichen und weltlichen, in dem
einen Kirchenjahr, jene Kreuzung, deren allgemeiner Schnitt
punkt der Neujahrstag ist und an deren persönlichem Schnitt
punkt er selbst steht, er selbst, dem gesagt ist, daß alles sein
ist, er aber Christi, — ihm bedeutet sie grade die Rundung
seines Lebens. Er weiß sich als ein Ganzer nur in dieser
Zweieinigkeit seines Wesens. Und die Bürgschaft dieser
Einigkeit, das Band, das beides in ihm. Weltkind und Gottes
kind, zusammenschlingt, ist dann der Ring des Jahrs, in dem
allein er die beiden Reiche, das Reich der Kirche und das Reich
der Welt, als eine immer wiederkehrende Einheit erlebt.
Sein Leben selbst wird ihm daran erst eines. Es ist das }a
von Haus aus mit nichten. Es geht von Jahrzehnt zu Jahr
zehnt durch wechselnde Alter. Vor Gott sind alle Alter gleich.