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DRITTER TEIL: ZWEITES BUCH
selbst; Verfassungs- und Befreiungsfeste dauern solange wie
die Staatsforrn oder allenfalls der Staat. Und trotzdem ge
nügen sie dem Volk als Zeichen seiner Dauerhaftigkeit durch
die Zeiten grade in ihrem Wechsel und ihrer Zeitlichkeit.
Die Kirche greift nun hier mit zu und feiert mit. Sie wächst
ins Volk und seine Geschichte hinein, indem sie seine Erinne
rungstage mit ihrem Segen begleitet. Es ist ein Stück Heiden
mission, das sie da betreibt; indem sie auf die Zweige des
nationalen Lebens ihr verklärendes Licht wirft, leistet sie ein
Stück Arbeit auf dem Weg der Erlösung, die ja immer wieder
nichts andres ist als Einsäen der Ewigkeit ins Lebendige. Wo
sie sich nach Landesgrenzen verfaßt hat, richtet sie jährlich
oder zu den großen Ereignissen des Volkslebens Buß- und
Bettage ein. Erntedankfeste, Kriegsbeginn- und Siegesfeier,
— überall muß sie ihr Wort mitsprechen. Aber sie hat auch
ihre eigne Geschichte. Auch die will gefeiert werden; so
feiert Luthers Kirche ihr Reformationsfest, die römische be
kundet alljährlich ihren ungeschwächten Gegensatz gegen die
Ketzer im Umzug des Fronleichnamstages. Und die römische
Kirche vor allem hat es sich nicht versagt, ihr eignes Leben in
einer Reihe von Festen ins Kirchenjahr unmittelbar hinein
zuweben. Das tut sie allgemein in den Festen, die im Gang
des Marienlebens das Dasein der Kirche selber widerspiegeln.
Und sie tut es weiter im besonderen in den Heiligenfesten, die
in ihrer unbegrenzten Wandlungs-, Anpassungs- und Wachs
tumsfähigkeit ein ganz intimes Bündnis zwischen ihr und den
örtlichen, ständischen, ja den persönlichen Interessen der Welt
möglich machen, und schaltet so dies Zeit- und Weltliche
immer wiede-r ein in den ewigen Kreis, der doch in diesen mit
Zeit und Ort wechselnden Festen des ewigen Wegs der Erlö
sung durch Ort und Zeit längst schon nicht mehr Kreis bleibt,
sondern zur Spirale sich öffnet.
Wie aber nun werden diese kirchlich-unterkirchlichen oder
auch weltlich-überweltlichen Feste der Erlösung gefeiert? Die
Feste des gemeinsamen Hörens und des gemeinsamen Mahls
sind uns schon begegnet. Feste des gemeinsamen Knieens