DRITTER TEIL: ZWEITES BUCH
m
Und unter den Künsten sind es die tönenden, die sich der
Offenbarung zuordnen. Denn in der Offenbarung bricht durch
die Öffnung des Augenblicks der Strahl der Zeit in das breite
Becken des geschaffenen Raums, und die Musik ist die Kunst,
die aus dem Augenblick eine Zeit hervorspinnt. Jedes Musik
werk erzeugt eine eigene Zeit. Der Wirklichkeit des inneren
Lebens gegenüber ist es eine ideale Zeit; so wird die Musik
für ihre Verehrer zur Flucht aus den Aufregungen oder je;
nachdem auch der lähmenden Langeweile ihres wirklichen
Lebens, ganz ähnlich wie die bildenden Künste ihren Freunden
den Ausweg öffnen aus der Häßlichkeit oder je nachdem Klein
lichkeit ihrer Umwelt. So sparen die Künste dem Menschen
die harte Arbeit, Freiheit und Form in die Welt. Zucht und
Leben in die Seele zu pflanzen. Er findet ja alles, was er ver
langen kann, in Museen und Konzertsälen. Hier kann er sich
befriedigen und sich für beliebig lange darüber hinweg
täuschen, daß die Wirklichkeit um ihn und in ihm — so ganz
anders ist. Ja er ist im Stande und sucht die Schuld für diesen
Widerspruch zwischen Ideal und Leben beim Leben und
macht auf dem Heimweg aus dem Konzertsaal den Schöpfer
dafür verantwortlich, daß er Welt und Seele so ungefüge ge
schaffen habe, statt die Verantwortung einzig auf den zu
wälzen, dem die Arbeit des Andersmachens aufgelegt ist, ihn
selbst, den Menschen.
Fast gefährlicher noch als die Selbstbefriedigung an den
bildenden Künsten ist die des »Musikalischen«. Denn der Lieb
haber der bildenden Künste vergißt schließlich über seinem
Genuß nur die Welt, aber der Musikalische vergißt über der
Musik sich selber. Jener schaltet sich bloß aus dem frucht
baren Leben aus und kann am Ende doch auch wieder den
Rückweg finden; dieser aber verdirbt sich selber, entkräftet
seine eigene Seele, und ist so von der Möglichkeit, wieder ins
Leben zurückkehren zu können, noch um eine ganze Stufe
weiter entfernt als jener. Der Musikalische kann in sich jedes
beliebige Gefühl willkürlich erwecken und er kann — schlim
mer noch — das Gefühl, das in ihm ist, in sich selbst zur Ent