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DRITTER TEIL: ZWEITES BUCH
nimmt das Wort wirklich den Einzelnen an der Hand und leitet
ihn den Weg, der ihn zur Gemeinschaft führt. Die Vorberei
tung, die der kirchliche Bau begann, wird von dem Wort zum
Abschluß gebracht. Mit gutem Grund hat ihm darum Augustin
die Bedeutung einer Grundlage der Sakramente und später die
Kirche Luthers die Stellung des wichtigsten Sakraments, das
erst die andern zu Sakramenten macht, gegeben. Denn die
Sakramente dienen »zur Vervollkommnung des Einzelnen in
dem, was zum Gottesdienst gehört«. Und das Wort ist die
Vorbereitung auf diese Vorbereitung des Einzelnen. Mit gutem
Grund andrerseits hat die römische Kirche es deshalb, eben
weil es nur Vorbereitung ist, nicht unter der Siebenzahl ihrer
Sakramente mitgezählt. Entbehren kann und will auch sie es
nicht und läßt es bei allen Säkramenten mitwirken. Die pro
testantische Predigt aber hat sich gradezu zum Hauptstück des
Gottesdienstes ausgewachsen, gemäß jener stark an den Ein
zelnen appellierenden Richtung des Protestantismus, die also
ganz natürlich auf das Mittel, das den Einzelnen erst überhaupt
einmal heranbrachte, den höchsten Wert legen mußte und muß.
Als Fest des gemeinsamen Hörens gründet auch hier das
allwöchentliche Fest der Schöpfung das geistliche Jahr. Aber
die Kirche hat eine Tat von tieferer Bedeutung getan als ihr
selber bewußt war, indem sie, um sich schroff von der Syna
goge zu scheiden, das Fest vom siebenten auf den ersten Tag
der Woche verlegte. Die Stimmung, die im Sabbat höchstens
die Gebete zu Sabbatausgang durchzieht, der Vorschau auf die
kommenden sechs Werktage, hier herrscht sie ganz. Am Sonn
tag häuft sich der Christ seinen Schatz geistlicher Stärkung,
den er im Lauf der Woche verbraucht. Der Sabbat ist Fest
der Erlösung; er ist es sogar doppelt, in seinen beiden Be
gründungen, sowohl als Erinnerung des Werks vom Anfang,
denn er feiert die göttliche Ruhe des siebenten Tags, wie als
Gedenktag der Befreiung aus dem Sklavenhaus Egypten, denn
sein Zweck ist, daß Knecht und Magd ruhen wie ihr Herr.
Schöpfung und Offenbarung münden bei ihm in der Ruhe der
Erlösung. Der Sonntag, der die Vorschrift der Ruhe selten,
auch in sonst gesetzlich gerichteten Zeiten, sehr streng ge