DIE STRAHLEN ODER DER EWIGE WEG
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verschiedenen Zwecken dienen, wie alle Wohn-, Geschäfts-,
Amtsgebäude, aber auch die Versammlungs-, Schau- und
Wirtshäuser. Denn überall hält sich der Mensch auf aus
irgend einem besonderen Zweck, der so für jeden ein beson
derer ist und also die Zerfällung des Raums in Räume fordert;
selbst Saalbauten sind höchstens aus Zufall einräumig; an sich
spricht nichts dagegen, daß in einem Gebäude mehrere Ver
sammlungs- oder Konzertsäle »untergebracht« sind, und
meistens ist es der Pall: denn da die Menschen sich immer nur
zu einem bestimmten Zweck darin versammeln sollen, so ist
gar nicht zu sehen, warum nicht andre Menschengruppen
gleichzeitig unter demselben Dach zu anderm Zweck versam
melt sein sollten. Nirgends weilt eben der Mensch bloß, um
in einem Raum gemeinsam mit andern zu weilen. Solcher
Raum schlechthin ist ihm nur das Gotteshaus, das einzige unter
allen mit überall gleicher, fester Orientierung und mit ganz
notwendiger Einräumigkeit. Denn hier allerdings wäre es ein
beleidigender, ein unausdenkbarer Gedanke, daß unter einem
Dach mehrere räumlich getrennte Kirchen der gleichen Ge
meinschaft beisammen wären. Wo das doch vorkommt — und
es kommt ja grade bei uns vor — da hat, wie überhaupt in
ecclesia pressa, die Baukunst nichts zu suchen; sie braucht
Freiheit, Geräumigkeit, in die sie i^ren Raum hineinschaffen
kann. Es ist ein Zeichen für jene notwendige Einräumigkeit,
daß die Kirche der einzige Bau ist, dessen Grundriß von jedem
Besucher sofort und in jedem Augenblick erkannt und emp
funden wird, nicht wie sonst bloß als Grundriß des Raumteils,
in dem man sich grade befindet, sondern als Grundriß des
Gebäudes. Kirchen sind die einzigen Bauwerke, die wirklich,
wie es die höchste Forderung verlangt, im Geiste des Bau
meisters von innen nach außen gebaut werden können, ja
müssen.
Indem die Baukunst also hier einen einigen Raum schafft,
einen schön geformten und doch für einen Zweck, und für
einen notwendigen, ja den allgemeinsten des menschlichen
Lebens, recht eigentlich also angewandte Kunst, nehmen nun