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ERSTER TEIL: ERSTES BUCH
nicht vorgreifen. Das Gesagte wird sich aber schon etwas
erhellen, wenn wir, nur zum Vergleich, den umgekehrten Vor
gang, das Werden zum Nichts, betrachten. Hier sind eben
falls zwei Möglichkeiten gegeben: die Verneinung des. um
nun einmal den heute zu stark verengten Ausdruck »Etwas«
durch einen unbelasteten zu ersetzen, — also die Verneinung
des Ichts und die Bejahung des NichtTchts, des Nichts. Die
Umkehrung ist so genau, daß dort, wo auf dem Hinweg das
Ja erschien, jetzt das Nein erscheint und umgekehrt. Für die
Entstehung des Nichts durch Verneinung des Ichts hat die
deutsche Sprache einen Ausdruck, den wir nur von seiner
engeren Bedeutung befreien müssen, um ihn hier einsetzen zu
können: Verwesung bezeichnet (genau wie das Mystikerwort
Entwesung) die Verneinung des Ichts. Für die Bejahung des
Nichts aber hat die Sprache das Wort Vernichtung. In der
Verwesung, der Entwesung entsteht das Nichts in seiner
unendlichen Unbestimmtheit; der verwesende Leib so wenig
wie die entwesende Seele streben nach dem Nichts als einem
Positiven, sondern einzig nach Auflösung ihres positiven
Wesens; aber indem ihnen die geschieht, münden sie in die
gestaltlose Nacht des Nichts. Hingegen Mephisto, der das
Böse geradezu will und das Ewigleere eingestandenermaßen
liebt, begehrt das Nichts, und da muß das Ganze dann freilich
hinauskommen auf — »Vernichtung«. Hier sehen wir also das
Nichts zwar nicht selber als ein Komplexes — denn dann wäre
es ein Bestimmtes und nicht das Nichts —, aber doch als ein
auf mehreren und entgegengerichteten Wegen Erreichbares;
und so verstehen wir nun vielleicht besser, wie im bestim
mungslosen Nichts verschiedene Ursprünge des Bestimmten
liegen können und der stille Fluß des Wesens, der hoch
schießende Springquell der Tat aus dem selben dunkel
stehenden Wasser entspringen mögen.
Wohlgemerkt, wir sprechen nicht wie die frühere Philo
sophie, die nur das All als ihren Gegenstand anerkannte, von
einem Nichts überhaupt. Wir kennen kein eines und all
gemeines Nichts, weil wir uns der Voraussetzung des einen