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DRITTER TEIL: ZWEITES BUCH
Wie wird sich also auf dem Grund jener zu erhaltenden
Freiheit und Ganzheit der Einzelnen die Ekklesia verfassen?
Wie mag das Band aussehen, das Mensch und Mensch in ihr
verknüpft? Es muß ja, indem es bindet, die Einzelnen auch
frei lassen, ja in Wahrheit erst frei machen. Es muß jeden so
lassen, wie es ihn findet, den Mann als Mann, das Weib als
Weib, die Alten alt, die Jungen jung, den Herrn als Herrn, den
Knecht als Knecht, den Reichen reich, den Armen arm, den
Weisen weise und den Toren töricht, den Römer römisch und
den Barbaren barbarisch; es darf keinen in die Stellung des
andern setzen, und doch muß es die Kluft zwischen Mann und
Weib, zwischen Eltern und Kind, zwischen Herrn und Knecht,
zwischen Reich und Arm, Weisem und Toren, Römer und
Barbar zudecken und so einen jeden in dem was er ist, in allen
seinen natürlichen und gottgegebenen Abhängigkeiten, mit
denen er in der Welt der Schöpfung steht, freimachen und ihn
hinstellen in die Mitte des Wegs, der aus Ewigkeit in Ewig
keit führt.
Dies Band, das so die Menschen nimmt, wie es sie findet,
und sie dennoch über die Unterschiede der Geschlechter,
Alter, Klassen, Rassen hinweg verbindet, ist das Band der
Brüderlichkeit. Die Brüderlichkeit verknüpft in allen ge
gebenen Verhältnissen, die ruhig weiter bestehen bleiben, die
Menschen unabhängig von diesen Verhältnissen als gleiche,
als Brüder, »im Herrn«. Der gemeinsame Glaube an den ge
meinsamen Weg ist der Inhalt, auf den hin sie aus Menschen
zu Brüdern werden. Christus ist in diesem Bruderbünde der
Christenheit sowohl Anfang und Ende des Wegs, und des
wegen Inhalt und Ziel, Stifter und Herr des Bundes, als auch
Mitte des Wegs, und deswegen überall gewärtig, wo zwei in
seinem Namen beisammen sind. Wo zwei in seinem Namen
beisammen sind, da ist Mitte des Wegs, da ist der ganze Weg
überschaubar, Anfang und Ende gleich nah, weil der, der An
fang und Ende ist, hier mitten unter den Versammelten weilt.
So auf der Mitte des Wegs ist Christus nicht Stifter noch Herr
seiner Kirche, sondern Glied, er selber Bruder seines Bundes.