Full text: Der Stern der Erlösung

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DRITTER TEIL: ZWEITES BUCH 
blick eins sein, versammelt in einen einzigen Mittelpunkt und 
dieser Mittelpunkt wiederum Mittelpunkt aller der andern 
Mittelpunkte dieser einen großen Mitte? Die Frage geht auf 
das Gemeinschaftsbildende in dieser Gemeinschaft der 
Christenheit. Mit der dogmatischen Antwort »Christus« ist uns 
hier nicht geholfen, so wenig wir uns im vorigen Buch mit der 
Antwort »die Thora« begnügen durften, die eine jüdische Dog 
matik auf die Frage nach dem Gemeinschaftsbildenden im 
Judentum wohl hätte geben dürfen. Sondern wir wollen ja 
grade wissen, wie denn die auf den dogmatischen Grund ge 
gründete Gemeinschaft sich Wirklichkeit gibt. Genauer noch: 
wir wissen, es muß eine ewige Gemeinschaft sein; so fragen 
wir, was wir auch schon im vorigen Buch fragten: wie sich 
eine Gemeinschaft für ewig gründen könne. Für die Gemein 
schaft des ewigen Lebens haben wir es erkannt. Nun fragen 
wir es für die Gemeinschaft des ewigen Wegs. 
Nicht darin schon kann der Unterschied liegen, daß an 
jedem Punkt des Wegs Mittelpunkt ist. So war ja auch in 
jedem Augenblick des Lebens des Volks das ganze Leben. 
Jeden Einzelnen hat Gott aus Ägypten herausgeführt — :> nicht 
mit euch allein schließe ich diesen Bund, sondern mit dem, der 
hier mit uns steht heute wie mit dem, der nicht hier mit uns 
ist heute«. Das ist beiden, dem ewigen Leben wie dem ewigen 
Weg gemeinsam: daß sie ewig sind. Und daß alles an jedem 
Punkt und in jedem Augenblick ist, das heißt ja Ewigkeit. 
Darin liegt also kein Unterschied. Er muß schon in dem liegen, 
was ewig ist, nicht in dem Ewigsein. Und so ist es. Ewiges 
Leben und ewiger Weg — das ist verschieden wie die Un 
endlichkeit eines Punkts und einer Linie. Die Unendlichkeit 
eines Punkts kann nur darin bestehen, daß er nie ausgewischt 
wird; so erhält er sich in der ewigen Selbsterhaltung des fort 
zeugenden Bluts. Die Unendlichkeit einer Linie aber hört auf, 
wenn es nicht mehr möglich wäre, sie zu verlängern; sie be 
steht in dieser Möglichkeit ungehemmter Verlängerung. Das 
Christentum als ewiger Weg muß sich immer weiter aus 
breiten. Bloße Erhaltung seines Bestandes bedeutete ihm den
	        

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