DRITTER TEIL: ERSTES BUCH
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einem Volke Einsetzen des Lebens um des Lebens willen. Ein
Volk, das in den Krieg zieht, übernimmt die Gefahr des
eigenen Tods. Das bedeutet wenig, so lange sich die Völker
noch für sterblich halten. So lange will es nicht viel heißen,
daß von den beiden rechtschaffenen Kriegsgründen des großen
römischen Rhetors — »salus« und »fides«, Selbsterhaltung und
Einlösen des verpfändeten Treuworts — der zweite dem ersten
unter Umständen widerspricht. Es ist schließlich kein Grund
zu nennen, warum Sagunt und sein Volk nicht von der Erde
verschwinden soll. Aber was es bedeutet, wird klar, wenn
Augustin, von dem jene geistreiche Abführung Ciceros stammt,
nun erklärt: für die Kirche könne ein solcher Zwiespalt
zwischen dem eignen Heil und dem einem Höheren getreuen
Glauben nicht entstehen, für sie sei »salus« und »fides« eins.
Denn was Augustin hier von der Kirche sagt, das gilt in einem
gewissen Umfang nun auch von der weltlichen Gemeinschaft.,
gilt von Volk und Staat, wenn diese ihr eignes Sein einmal be
gonnen haben unter höchstem Gesichtspunkt zu sehen.
Und mehr oder weniger sind eben durch das Christentum
solche Erwähltheitsgedanken über den einzelnen Völkern auf
gegangen, und mit ihnen notwendig auch ein Anspruch auf
Ewigkeit. Nicht daß ein solcher Anspruch wirklich das ganze
Leben dieser Völker bestimmte; davon kann keine Rede sein;
auch der Erwähltheitsgedanke, der ihn ja allein begründen
kann, ist ihnen nur in gewissen erhöhten Augenblicken bewußt
und jedenfalls auch in ihnen noch beinahe mehr ein Fest
gewand, in dem sie sich gefallen, als ein Amtskleid, ohne das
sie allen Ernstes nicht wirken zu können glaubten. Noch immer
schläft auf dem Grunde der Liebe zum eignen Volk das Vor
gefühl, daß es irgend einmal in ferner Zukunft nicht mehr sein
würde, und gibt der Liebe eine süß=schmerzliche Schwere.
Aber immerhin, der Gedanke der notwendigen Ewigkeit des
Volks ist da, und schwach oder stark, ganz oder halb ernst
wirkt er irgendwie mit. Und nun gewinnt das Kriegführen
durch ihn allerdings ein sehr andres Ansehen. Das Leben des
Volks, das aufs Spiel gesetzt wird, ist etwas, was ernsthaft