DAS FEUER ODER DAS EWIGE LEBEN
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gegangenen nur Bereitungen waren, hat er in jenem Gebet um
die Vernichtigung aller Gelübde, aller Selbstweihen und guten
Vorsätze sich die reine Demut erobert, nicht als sein wis
sendes, nein bloß noch als sein wähnendes Kind vor den zu
treten, welcher ihm verzeihen möge, gleich wie er verzieh
»der ganzen Gemeinde Israel und dem Fremden, der da unter
ihnen weile, denn allem Volk geschahs im Wahne«. Nun ist
er reif zum Bekennen der eignen Schuld vor Gott in immer
neuen Wiederholungen. Es gibt da keine Schuld vor Menschen
mehr. Drückte ihn die, so müßte er sich ihrer zuvor von
Mensch zu Mensch in offnem Geständnis entledigen. Der Ver
söhnungstag sühnt solche Schuld nicht; er weiß nichts von ihr;
ihm ist alle Schuld, auch die vor Menschen gesühnte und ent
schuldigte, Schuld vor Gott, Sünde des einsamen Menschen,
Sünde der Seele — denn die Seele ists die sündigt. Und solch
gemeinsarmeinsamem Flehen einer Menschheit in Sterbe
kleidern, einer Menschheit jenseits des Grabes, einer Mensch
heit von Seelen, neigt sein Antlitz der Gott, der den Menschen
liebt vor seiner Sünde wie nachher, der Gott, den der Mensch
in seiner Not zur Rede stellen darf, warum er ihn verlassen
habe, der barmherzig ist und gnädig, langmütig, voll unver
dienter Huld und voll Treue, der seine Liebe aufbewahrt dem
zweimaltausendsten Geschlecht und vergibt Bosheit und Trotz
und Schuld und begnadigt den, der umkehrt. Also daß der
Mensch, dem so das göttliche Antlitz sich neigte, aufjubelt in
dem Bekenntnis: Er, dieser Gott der Liebe, er allein ist Gott.
So sehr liegt alles Irdische hinter dem Ewigkeitsrausch
dieses Bekenntnisses, daß kaum vorzustellen ist, wie von hier
aus wieder ein Rückweg in den Kreislauf des Jahres gefunden
werden mag. Es ist deshalb für den Aufbau des geistlichen
Jahres höchst bedeutungsvoll, daß die Feste der unmittelbaren
Erlösung den Festmonat der Erlösung, mit dem der jährliche
Kreis der Sabbate abschließt, selber nicht abschließen; viel
mehr folgt das Hüttenfest als das Fest der Erlösung auf dem
Boden der unerlösten Zeit und des geschichtlichen Volks ihnen
noch nach. In der Allgemeinsamkeit der einen Menschheit war