DAS FEUER ODER DAS EWIGE LEBEN
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weiht; alles gottzugekehrte Gelübde zerbricht, und was Sein
wissendes Kind begann, das wird dem wähnenden — ver
geben.
Ein vollkommen sichtbares Zeichen stellt diesen Grundton
der gewaltigen Tage, daß sie das Ewige für den Einzelnen un
mittelbar in die Zeit hineinrücken, für ihre ganze Dauer fest.
Der Beter kleidet sich an diesen Tagen in sein Sterbekleid.
Zwar schon den Alltag lenkt der Augenblick des Anlegens des
Gebetmantels — Chlamys und Toga der antiken Tracht — auf
den Gedanken an das letzte Kleid und an das ewige Leben,
wo Gott die Seele in seinen Mantel hüllen wird. So fällt schon
vom Alltag und vom allwöchentlichen Sabbat gleich wie von
der Schöpfung her ein Lichtschein auf den Tod als die Krone
und das Ziel der Schöpfung. Aber das vollständige Sterbe
kleid, nämlich zum Mantel auch noch der Rock — Chiton und
Tunica —, ist kein Kleid des Alltags; der Tod ist der Schöp
fung nur Letztes, nur Grenze, ihn selber schaut sie nicht. Erst
die Offenbarung weiß, und sie weiß es als ihr erstes Wissen:
daß Liebe stark ist wie der Tod. Und so trägt der Einzelne
einmal schon im Leben das vollständige Sterbekleid: unterm
Trauhimmel, nachdem er es am Hochzeitstag aus den Händen
der Braut empfangen hat. Denn erst mit der Ehe wird er ein
ganz vollwertiges Glied des Volks; nicht umsonst betet sein
Vater bei seiner Geburt, es möge ihm vergönnt sein, ihn zu
erziehen zur Thora, zum Trauhimmel und zu guten Werken.
Thora, sie Lernen und Halten, ist die allzeit gewärtige Grund
lage eines jüdischen Lebens; mit der Ehe beginnt die volle Ver
wirklichung dieses Lebens; erst da sind eigentlich die »guten
Werke« möglich. Ja, der Thora bedarf als bewußter Grund
lage nur der Mann; bei der Geburt einer Tochter hatte der
Vater nur gebetet, sie zu führen unter den Trauhimmel und zu
guten Werken: denn die Frau besitzt diese Grundlage jüdi
schen Lebens auch ohne die dem lockerer in der Erde des Na
türlichen wurzelnden Mann notwendige bewußte Erneuerung
des »Lernens«; ist doch nach altem Rechtssatz sie es, durch
die sich das jüdische Blut fortpflanzt; nicht erst das Kind