DAS FEUER ODER DAS EWIGE LEBEN
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Das Abendmahl, zu dem der Hausvater an ihm die Seinen
vereint, ist recht eigentlich unter den vielen Mählern des geist
lichen Jahres das Mahl schlechtweg; es ist das einzige, das
von Anfang bis zu Ende eine gottesdienstliche Handlung dar
stellt und so von Anfang bis zu Ende — in Wahrheit, wie wir
es nennen, »Ordnung« — liturgisch geregelt ist. Das Wort der
Freiheit leuchtet über ihm von Anfang an. Die Freiheit des
Mahls, bei dem alle gleich frei sind, zeigt sich an in dem, was
mit andrem noch »diese Nacht unterscheidet von allen
Nächten«: dem »angelehnten« Sitzen; sie zeigt sich, lebendiger
noch als in dieser Erinnerung an das antike zu Tische Liegen
der Gäste beim Symposion, darin, daß grade das jüngste Kind
zu Worte kommt und daß sich nach ihm, nach seiner A/t und
Reife, die Tischreden des Hausvaters richten; das ist ja das
Zeichen der echten freien Geselligkeit im Gegensatz zu allem
Unterricht, der stets herrschaftlich, nie genossenschaftlich ver
faßt ist, daß grade der verhältnismäßig noch am nächsten dem
Rande des Kreises Stehende das Gesetz für die Höhenlage der
Unterhaltung gibt; ihn muß sie noch einziehen; keiner, der
leiblich anwesend ist, darf geistig ausgeschlossen bleiben; die
Freiheit der Genossenschaft ist stets die Freiheit aller, die ihr
angehören. So wird dies Mahl ein Zeichen der Berufung des
Volks zur Freiheit. Daß diese Berufung nur Anfang, nur die
Schöpfung des Volks ist, das zeigt sich nun wieder in der
andren Seite dieses Hervortretens des jüngsten Kinds: das
Ganze nimmt dadurch, daß das Jüngste allein eigene Stimme
gewinnt, nun doch die Form des Unterrichts an: der Hausvater
spricht, und das Haus hört zu und gewinnt erst im Laufe des
Abends mehr und mehr gemeinsame Selbständigkeit, bis sich
in den Lobgesängen und den zwischen göttlichem Geheimnis
und weinseligem Scherz mitteninne schwebenden Tischliedern
des zweiten Teils alle ursprünglich in der Mahlgenossenschaft
selbst noch herrschaftliche Ordnung, ganz in der Gemeinsam
keit gelöst hat.
Von der Stiftung des Volks eröffnet sich der Ausblick in
seine ferneren Schicksale, doch nur als Ausblick. Sie scheinen