Full text: Der Stern der Erlösung

DAS FEUER ODER DAS EWIGE LEBEN 
399 
Das Abendmahl, zu dem der Hausvater an ihm die Seinen 
vereint, ist recht eigentlich unter den vielen Mählern des geist 
lichen Jahres das Mahl schlechtweg; es ist das einzige, das 
von Anfang bis zu Ende eine gottesdienstliche Handlung dar 
stellt und so von Anfang bis zu Ende — in Wahrheit, wie wir 
es nennen, »Ordnung« — liturgisch geregelt ist. Das Wort der 
Freiheit leuchtet über ihm von Anfang an. Die Freiheit des 
Mahls, bei dem alle gleich frei sind, zeigt sich an in dem, was 
mit andrem noch »diese Nacht unterscheidet von allen 
Nächten«: dem »angelehnten« Sitzen; sie zeigt sich, lebendiger 
noch als in dieser Erinnerung an das antike zu Tische Liegen 
der Gäste beim Symposion, darin, daß grade das jüngste Kind 
zu Worte kommt und daß sich nach ihm, nach seiner A/t und 
Reife, die Tischreden des Hausvaters richten; das ist ja das 
Zeichen der echten freien Geselligkeit im Gegensatz zu allem 
Unterricht, der stets herrschaftlich, nie genossenschaftlich ver 
faßt ist, daß grade der verhältnismäßig noch am nächsten dem 
Rande des Kreises Stehende das Gesetz für die Höhenlage der 
Unterhaltung gibt; ihn muß sie noch einziehen; keiner, der 
leiblich anwesend ist, darf geistig ausgeschlossen bleiben; die 
Freiheit der Genossenschaft ist stets die Freiheit aller, die ihr 
angehören. So wird dies Mahl ein Zeichen der Berufung des 
Volks zur Freiheit. Daß diese Berufung nur Anfang, nur die 
Schöpfung des Volks ist, das zeigt sich nun wieder in der 
andren Seite dieses Hervortretens des jüngsten Kinds: das 
Ganze nimmt dadurch, daß das Jüngste allein eigene Stimme 
gewinnt, nun doch die Form des Unterrichts an: der Hausvater 
spricht, und das Haus hört zu und gewinnt erst im Laufe des 
Abends mehr und mehr gemeinsame Selbständigkeit, bis sich 
in den Lobgesängen und den zwischen göttlichem Geheimnis 
und weinseligem Scherz mitteninne schwebenden Tischliedern 
des zweiten Teils alle ursprünglich in der Mahlgenossenschaft 
selbst noch herrschaftliche Ordnung, ganz in der Gemeinsam 
keit gelöst hat. 
Von der Stiftung des Volks eröffnet sich der Ausblick in 
seine ferneren Schicksale, doch nur als Ausblick. Sie scheinen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.