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DRITTER TEIL: ERSTES BUCH
W eil in der Ewigkeit das Wort erlischt im Schweigen
des einträchtigen Beisammenseins — denn nur im
Schweigen ist man vereint, das Wort vereinigt, aber die
Vereinigten schweigen — darum muß der Brennspiegel, der
die Sonnenstrahlen der Ewigkeit im kleinen Kreis des
Jahres sammelt, die Liturgie, den Menschen in dieses
Schweigen einführen. Auch in ihr freilich kann das gemein
same Schweigen erst das Letzte sein, und alles was vorher
geht, ist nur die Vorschule auf dies Letzte. In solcher Erzie
hung waltet noch das Wort. Das Wort selber muß den
Menschen dahin führen, daß er gemeinsam schweigen lerne.
Der Anfang dieser Erziehung ist, daß er lerne zu hören.
Es scheint nichts leichter als das. Aber es ist ein andres
Hören hier notwendig als das in der Wechselrede. In der
Wechselrede spricht ja auch der, welcher grade hört, und nicht
bloß, wenn er spricht, ja nicht einmal am meisten dann, wenn
er spricht, sondern ebensosehr indem er durch sein lebendiges
Zuhören, durch den einstimmenden oder zweifelnden Blick
seines Auges dem, der grade spricht, das Wort auf die Lippen
hebt. Nicht dies Hören des Auges ist hier gemeint, sondern
wirklich das Hören des Ohrs. Ein Hören also, das nicht den
Sprecher zum Sprechen anregt, ist es, was hier gelernt werden
soll, sondern ein Hören ohne Widerrede. Viele sollen hören.
Da darf der Eine, der spricht, nicht der Sprecher seiner eigenen
Worte sein, denn wo nähme er seine »eigenen« Worte als aus
dem sprechenden Blick seiner Hörer? Selbst der Redner vor
Vielen ist ja, solange er wirklich lebendiger Redner ist, nur
Unterredner; das zuhörende Volk, dieses vielköpfige Un
geheuer, gibt auch dem Volksredner noch mit Zustimmung und
Mißfallen, mit Zwischenruf und Unruhe und seinem Gegen
einander von Stimmungen, in welchem es ihn Partei zu nehmen
zwingt, in jedem Augenblick das Stichwort. Will der Volks
redner sich unabhängig von den Hörenden machen, so muß er,
auf die Gefahr hin daß sie ihm einschlafen, ihnen statt der freien
Rede, die er spräche, die fertige auswendig gelernte »halten«.
Die freie Rede erweckt, je freier sie ist, um so sicherer zwei