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DRITTER TEIL: ERSTES BUCE1
doch auf den Lobgesängen Israels. Für die Sünde der Völker
tritt Israel vor ihm ein, und wird mit Krankheit geschlagen, auf
daß jene Heilung finden, — vor Gott stehen sie beide, Israel
sein Knecht und die Könige der Völker, und unentwirrbar für
menschliche Hände schlingt sich der Knoten von Leiden und
Schuld, von Liebe und Gericht, von Sünde und Versöhnung.
Der Mensch, der in Gottes Ebenbild geschaffene, auch er
ist, wie er als jüdischer Mensch vor seinen Gott tritt, eine Her
berge von Widersprüchen. Als Gottes Liebling, als Israel,
weiß er sich von Gott erwählt und mag wohl vergessen, daß
er nicht allein mit Gott ist, daß Gott noch andre kennt, mag
nun er selber sie kennen oder nicht, und daß Gott auch zu
Egypten und Assur spricht: »mein Volk«. Er weiß sich ge
liebt — was kümmert ihn die Welt. Er mag in seliger Zwei
einsamkeit mit Gott sich dem Menschen überhaupt gleichsetzen
und verwundert um sich schauen, wenn ihn die Welt daran
zu erinnern sucht, daß nicht in allen das gleiche Gefühl der un
mittelbaren Gotteskindschaft lebt wie in ihm. Und dennoch,
niemand wiederum weiß genauer als er, daß Gottes Liebling
zu sein nur einen Anfang bedeutet und daß der Mensch noch
unerlöst bleibt, solang bloß dieser Anfang verwirklicht ist.
Gegen Israel, den ewig Gottgeliebten, ewig Treuen, ewig Voll
endeten, steht der ewig Kommende und ewig Wartende, ewig
Wandernde, ewig Wachsende, steht Messias. Gegen den
Menschen des Anfangs, Adams des Menschen Sohn, steht der
Mensch des Endes, der Sohft Davids des Königs, gegen den aus
dem Stoff der Erde und dem Hauch des göttlichen Mundes
Geschaffnen das Reis aus gesalbtem Königsstamm, gegen den
Erzvater der späteste Sproß, gegen den Ersten, der sich ein
hüllt in den Mantel der göttlichen Liebe, der Letzte, von dem
das Heil geht zu den Enden der Erde, gegen die ersten Wunder
die letzten, davon es heißt, sie würden größer sein als jene.
Die Welt, die jüdische, wie sie unter der Kraft des unend
lich verzweigten, über jedem Ding gesprochenen Segens ganz
entdinglicht ist und ganz beseelt, auch sie ist doch eine dop
pelte und voller Zwiespalt in jedem Ding. Alles was in ihr