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DRITTER TEIL: EINLEITUNG
starr blieben, aus dem engen Hier zur Ewigkeit erweiterten.
Den Mehr=als=Nächsten, sein Selbst, lernte der Beter, also
betend, lieben; sein Selbst nicht als verschlossenes starres
Selbst, sondern als die in das Schicksal der Welt mit dem
eignen Schicksal eingewobene Persönlichkeit. Betete er nicht
um dieses Vollendendürfen des Tagwerks seiner Hände, — es
würde ihm wohl erfüllt, worum er bittet, denn er bittet nur um
das, was ihm reif zur Erfüllung ist, und jedem andern würde
gleichfalls das Seine erfüllt, aber aus all diesen einzelnen
Erfüllungen wüchse nicht die ewige Erfüllung; aus allem ein
zelnen Leben nicht das ewige Leben; es ist dafür gesorgt, daß
bei allem Wachstum durch die Zeit der Baum des Lebens nicht
in den Himmel wachse. Aber das Gebet der Gemeinde, nicht
zum eignen Schicksal, sondern unmittelbar zum Ewigen, der
das Werk nicht meiner und deiner und seiner, sondern
»unserer« Hände fördern möge, auf daß Er, nicht auf daß »ichs
vollende«, — dies Gebet, das über alles Einzelne hinweg auf
das Allgemeinsame und nur auf es schaut, reißt das Ewige mit
starkem Griff herein in den Augenblick und beschenkt das
einzelne, in diesem Augenblick im ungläubigen Gebet ganz
lebendig gewordene Stück Leben mit dem herabgeholten Fun
ken des ewigen Lichts, der in ihm bleibt als Same ewigen
Lebens.
Das Gebet um das Rommen des Reichs vermittelt also
zwischen Offenbarung und Erlösung, oder richtiger zwischen
Schöpfung und Offenbarung einerseits und Erlösung andrer
seits, ähnlich wie das Wunderzeichen zwischen Schöpfung
und Offenbarung. Und wie dies Verhältnis innerhalb der Welt
der Offenbarung zugleich auch das Verhältnis der urgeschaf-
fenen Vorwelt zur offenbaren Welt umschrieb, so nun auch
das dieser offenbaren Welt einerseits, einschließlich der ja
eben durch das Wunder in sie eingegangenen Vorwelt, zur er
lösten Überwelt. Das Gebet ist die Kraft, die über die
»Schwelle« aus dem stummgeschaffnen Geheimnis des Eigen
wachstums des Lebens und dem sprachbegabten Wunder der