Full text: Der Stern der Erlösung

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VOM REICH 
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Gebet des Gläubigen geschieht inmitten der gläubigen Ge 
meinde. In Versammlungen lobt er den Herrn. Die Erleuch 
tung, die dem Einzelnen wird, — hier kann sie keine andre 
sein als die, welche allen andern auch geschehen kann. In der 
Erleuchtung nun also, da sie allen gemeinsam sein soll, soll 
allen das Gleiche erleuchtet werden. Dies für alle Gemeinsame, 
über alle Standpunkte der Einzelnen und die durch die Ver 
schiedenheit dieser Standpunkte bedingte Verschiedenheit der 
Perspektive hinaus, kann aber nur eines sein: das Ende aller 
Dinge, die letzten Dinge. Alles was auf dem Wege liegt, würde 
sich jedem nach dem Ort, wo er steht, anders darstellen, alle 
Tage haben für jeden nach dem Tag, den er lebt, verschiedenen 
Inhalt; nur das Ende der Tage ist allen gemeinsam. Der 
Scheinwerfer des Gebets erleuchtet jedem nur, was er allen 
erleuchtet: nur das Fernste, das Reich. 
Alles, was davor liegt, bleibt im Dunkel; das Reich Gottes 
ist das Nächste. Indem so der sonst in der Ferne der Ewigkeit 
aufleuchtende Stern hier als das Nächste erscheint, wendet 
sich die ganze Liebeskraft ihm zu und zieht sein Licht mit 
zaubrischer Gewalt durch die Nacht der Zukunft hinein ins 
Heute der betenden Gemeinde. Das kultische Gebet, das alles 
an die eine Bitte um das Kommen des Reichs setzt und zu dem 
alle andern sonst näheren Bitten nur um dieser einen willen 
beiläufig mitgebetet werden, erzwingt, indem es der Liebe das 
Ewige als das Nächste zeigt und so die unwiderstehliche Kraft 
der Liebe des Nächsten auf es losläßt, das erlösende Kommen 
des Ewigen in die Zeit. Gott kann nicht anders, er muß der 
Einladung folgen. Das Gebet des Gläubigen, weil es in der 
Versammlung der Gläubigen geschieht, ergänzt das Gebet des 
Ungläubigen, das stets Gebet des Einzelnen sein muß. 
Nur um die Gunst des eigenen Schicksals konnte der Un 
gläubige bitten, nur darum, das Tagwerk seiner Hände voll 
enden zu dürfen. Nur das Mehr=als=Nächste, das Eigene, 
wurde seiner Liebe durch sein Gebet erleuchtet; der Schein 
werfer warf seinen Schein in den Kreis des Eigenen, dessen 
Grenzen sich freilich, anders als beim Sünder wo sie eng und
	        
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