Full text: Der Stern der Erlösung

3 6 4 
DRITTER TEIL: EINLEITUNG 
sein, ehe es ewiges Leben werden kann. Zur genauen Zeit 
lichkeit des reinen Lebens, das immer genau an der rechten 
Stelle der Zeit ist, immer grade recht kommt, nicht zu früh 
und nicht zu spät, muß eine beschleunigende Kraft hinzutreten. 
Die Ewigkeit muß nämlich beschleunigt werden, sie muß 
stets »heute« schon kommen können; nur dadurch ist sie Ewig 
keit. Wenn es keine solche Kraft, kein solches Gebet gibt, 
v/elches das Kommen des Reichs beschleunigen kann, so 
kommt es nicht in Ewigkeit, sondern — in Ewigkeit nicht. 
Welches Gebet also beschleunigt das Kommen des Reichs in 
Wahrheit und nicht etwa bloß im ohnmächtigen und tyrannisch 
gewaltsam doch nur das Gegenteil des eigenen Wunsches be 
wirkenden Gebet des Schwärmers? Wie, wo und wann wird 
das Gebet dessen gebetet, auf das zwar die Götter stumm 
bleiben mögen, dem aber Gott Antwort geben muß: das Gebet 
dessen, der die Andacht des Ungläubigen vor dem reinen Leben 
ergänzt zur Bitte um das ewige Leben, — das Gebet des 
Gläubigen? 
Diese positive Beschleunigung kann nun nach allem, was 
wir jetzt wissen, nur auf eine Weise geschehen: es muß das 
Reich vorweggenommen werden und zwar nicht bloß in der 
persönlichen Erleuchtung, in der die Ewigkeit zwar sichtbar 
wird, aber nicht greifbar nah kommt; nah, nächst, als Nächstes 
wurde in der Erleuchtung des Schwärmers beschienen- irgend 
eine Station auf seinem persönlichen Wege zum Ewigen, und 
indem er seine ganzen magischen Liebeskräfte an die Er 
reichung dieses scheinbar Nächsten, in Wahrheit Übernächsten 
setzte, vergeudete er seine Kräfte ins Leere und wurde aus 
einem gewaltigen Beschleuniger ein Verzögerer der Zukunft. 
Solcher persönlichen Tyrannisierung des Himmelreichs setzt 
sich unmittelbar entgegen das, was wir hier suchen. Das 
Gebet des Gläubigen darf unmöglich bloß im guten Willen 
stecken bleiben. Wie es Ergänzung ist zu dem von ihm schon 
vorausgesetzten Gebet des Ungläubigen, das stets zu seiner 
Zeit, weil stets zur angenehmen Zeit des Schöpfers kommt,
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.