344
DRITTER TEIL: EINLEITUNG
Erlöser, sondern auch Erlöster, die Erlösung also ihm Selbst
erlösung ist, jede Vorstellung eines zeitlichen Werdens, wie
sie eine freche Mystik und ein hochtrabender Unglaube ihm
gern andichten, von seiner Ewigkeit ab. Nicht er selbst für
sich selbst, sondern er als Erlöser von Welt und Mensch
braucht Zeit, und nicht weil er sie braucht, sondern weil
Mensch und Welt sie brauchen. Denn für Gott ist die Zukunft
keine Vorwegnahme; er ist ewig und der einzige Ewige, der
Ewige schlechtweg; »Ich bin« ist in seinem Munde wie »Ich
werde sein« und findet erst darin seine Erklärung.
Aber für Mensch und Welt, denen das Leben von Haus
aus nicht ewig ist, sondern die im bloßen Augenblick oder in
breiter Gegenwart leben, ist die Zukunft nur faßbar, indem sie,
die zögernd herangezogen kommende, in die Gegenwart vor
gezogen wird. So wird ihnen die Dauer höchst wichtig, weil
sie es ist, an der sich die Zukunft, indem sie in den Augenblick
vorweggenommen wird, immerfort reibt. Und deshalb kommt
für das Gebet schließlich alles darauf hinaus, ob die Zukunft
des Reichs dadurch beschleunigt oder verzögert wird. Oder
genauer gesagt: da beides, Beschleunigung wie Verzögerung,
nur in den Augen des Menschen und der Welt, nicht vor Gott
gilt, und Mensch und Welt die Zeit nicht messen nach einem
außer oder über ihnen liegenden Maß, sondern aneinander, der
Mensch also am ihm entgegenreifenden Wachstum der Welt,
die Welt an der ihr in den Schoß geschütteten Fülle der Liebe:
so kommt es für das Gebet darauf an, ob der Lichtschein, den
es in das Dunkel der Zukunft wirft und der in seinen letzten
Ausläufern immer in die fernste Ferne reicht, an der Stelle
seines ersten Auftreffens, an dem,nächsten Punkt also, den er
dem Beter erleuchtet, der Liebe vorauseilt, hinter ihr zurück
bleibt, oder mit ihr Schritt hält. Nur im letzten Falle wird das
Gebet erfüllt; nur dann geschieht es in der »angenehmen Zeit«,
der »Gnadenzeit«; in diesem seltsamen Ausdruck, den wir
nun zu verstehen beginnen, macht der Glaube den Gedanken
lebendig, den als eine tote Erkenntnis schon die heidnische
Frömmigkeit besaß: daß man die Götter nur bitten dürfe um