Full text: Der Stern der Erlösung

VOM REICH 
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einander eins sein. Und das sind sie nicht, solange eine jede 
der vielen noch zurückgeht auf fein einsames Gebet einer ein 
samen Seele. Wohl wird dies Gebet des Einsamen eingefügt 
in das Gebet der Vielen um das Kommen des Reichs, aber des 
wegen bleibt der Einsame um nichts weniger in seiner Ein 
samkeit. Sein eigenes Hier=stehedch bleibt ihm der Grund 
seines Nicht=anders s können, und er kann nur beten, daß Gott 
ihm helfe; er selbst kommt von der Vereinzeltheit seines Stand 
punkts, und damit sein Gebet von dem Zwang, eine eigene 
Weltordnung zu stiften, nicht los. 
Was ist nun aber denn für eine Gefahr dabei? Wenn nun 
auch wirklich das Gebet, indem es dem Beter einen Blick auf 
die Welt öffnet, sie ihm in besonderer Ordnung zeigt, sollte das 
irgendwelche Folgen haben für diese eine göttliche Weltord 
nung selbst? Läge denn etwa im Gebet eine Kraft, die tyran 
nisch eingreifen könnte in den gottentsprungenen Lauf der Welt 
von der Schöpfung her? Wenn das Gebet wesentlich nichts 
weiter ist als Gebet um Erleuchtung und also Erleuchtung auch 
das höchste ist, was dem Beter durch die Kraft des Gebets 
werden kann, wie soll dann wohl das Gebet eingreifen können 
in den Gang des Geschehens? Die Erleuchtung scheint doch 
nur dem Beter zu werden, seine Augen werden erleuchtet — 
was kümmert das die Welt? 
Die Erleuchtung freilich braucht sie nicht zu kümmern. Die. 
Erleuchtung unmittelbar wirkt nicht. Das schlechtweg Wirk 
same ist nicht sie, sondern die Liebe. Die Liebe kann nicht 
anders als wirken. Es gibt keine Tat der Nächstenliebe, die 
ins Leere fällt. Grade weil die Tat blind getan wird, muß sie 
irgendwo als Wirkung zum Vorschein kommen. Irgendwo, 
ganz unberechenbar wo. Würde sie sehend getan, wie die 
Zwecktat, dann freilich wäre es möglich, daß sie spurlos unter 
ginge; denn die Zwecktat geht nicht breit, offen, unbedeckt und 
unbedacht in die Welt, sondern sie ist zugespitzt auf ein be 
stimmtes gesehenes Ziel, und indem sie den Weg zu diesem 
Ziel mitsieht und, zweckvoll wie sie ist, ihn mit in ihre Rech 
nung einrechnen muß, sucht sie, außerdem daß sie sich auf ihr
	        
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