SCHWELLE
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Der Welt ist es zweierlei, bloß dazusein und lebendig zu
wachsen. Erst in beidem zusammen ist sie Welt; aus jenem
kommt ihr die Blutfülle der Erscheinung, in diesem hat sie das
Rückgrat ihrer Dauer. Um jenes ersten willen kehrt die Kre
atur das Gesicht vertrauend der göttlichen Vorsehung zu; um
des andern willen schaut das Leben erwartungsvoll nach dem
Menschen aus; der allein vermag ihm eben die »Dauer zu ver
leihen«. So scheint sie den Blick also bald nach jener, bald
nach dieser Seite zu richten, bald Zuflucht in den ewigen
Armen des Schöpfers zu suchen, bald alles von dem irdischen
Herrn der Schöpfung zu erwarten. Die Welt — und der
Mensch selber mit ihr, insofern auch er ein Mitbewohner und
Bürger der Welt ist. Das Vertrauen auf den göttlichen
Schöpfer, das Warten auf die menschliche Tat, Natur und
Kultur, scheint ein ewiger Gegensatz. Die Welt scheint in ihm
bleiben zu müssen. Ein ewiger Gegensatz? Wir wissen, daß
er der Welt in der Ewigkeit des Tags des Herrn, in dem
erlösenden Kommen des Reichs, verschwindet. Also kein
ewiger Gegensatz. Doch wie kann solche Einigung von
Menschentat und Gotteswerk statthaben, wenn anders nicht
auch die Menschentat selber als Tat aus Gott kommt und
Gottes Schöpferwerk sich steigert und erfüllt in der Erweckung
des Menschen? Die Offenbarung Gottes an den Menschen ist
so die Gewähr, die der Welt für ihre Erlösung gegeben ist, der
Grund, auf dem für die Welt die Gewißheit beruht, daß der
Zweifel — und aller Zweifel ist Zweifel zwischen Schöpfungs
vertrauen und Taterwartung, und von dem Zwiespalt dieses
Zweifels lebt die Welt — einst gelöst sein wird. Die Offen
barung ist der Welt die Bürgschaft ihres Eingehens in die
Ewigkeit.
So wäre also für die Welt ihr Sein im Licht eingebettet in
den Zeitraum »zwischen« Offenbarung und Erlösung, für den
Menschen aber in den ganzen zwischen Schöpfung und Erlö
sung, und nur Gott selber lebte allein in der Erlösung in seinem
reinen Licht. Oder mit andern Worten: Gott lebt sein reines
Leben nur in der Ewigkeit, die Welt ist zuhause in aller. Zeit,