ERLÖSUNG
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Wahrheit aber ist es nicht bloß nicht in ihr Belieben gestellt,
welches Glied sie so mit ihrer Macht ergreift und aus dem Zu
sammenhang des Lebens zu seiner Ewigkeit erdöst. Sondern
das Gesetz des Wachstums, das ebenso vom Schöpfer her der
Welt eingesetzt ist, wie ihr selbst vom Offenbarer her der
iiberfließende Drang ihrer Liebe, dies Gesetz bestimmt, dem
Menschen selber unbewußt, der Liebe ihren Weg und ihren
Gegenstand. Der blühende Baum des Lebens streckt der be
seelenden Liebe immer nur die aufgegangenen Knospen ent
gegen. Von Gott also nimmt die Erlösung ihren Ursprung, und
der Mensch weiß weder Tag noch Stunde. Er weiß nur, daß
er lieben soll und stets das Nächste und den Nächsten; und die
Welt, sie wächst in sich nach scheinbar eignem Gesetz; und
ob sich Welt und Mensch nun heute finden oder morgen oder
wann — die Zeiten sind unberechenbar, sie weiß nicht Mensch
noch Welt; die Stunde weiß allein Er, der das Heute jeden
Augenblick erlöst zur Ewigkeit.
Die Erlösung ist also Ende, vor dem alles Angefangene in
seinen Anfang zurücksinkt. Nur dadurch ist sie Vollendung.
Alles was noch unmittelbar an seinem Anfang hängt, ist noch
nicht im vollen Sinne tatsächlich; denn der Anfang, aus dem
es entsprang, kann es auch immer wieder in sich zurück
saugen. Das gilt für die als Ja des Nichtnichts entstandene
Sache wie für die als Nein des Nichts entstandene Tat. Wahre
Dauerhaftigkeit ist stets Dauer in die Zukunft hinein und auf
die Zukunft zu. Nicht was immer war, ist dauerhaft: die Welt
war immer; auch nicht was allzeit erneuert wird: das Erleb
nis wird allzeit erneuert; einzig was ewig kommt: das Reich.
Nicht die Sache, nicht die Tat, erst die Tatsache ist sicher vor
dem Rückfall ins Nichts.
D iese gestaltgründende, vertatsächlichende Macht des Und
ist uns ja wohlbekannt aus der Bedeutung, die es im
ersten Teil für die Fertigstellung der »Elemente« hatte: Wir
brauchen es jetzt sowenig mehr ausdrücklich zu sagen, wie
wir es damals, auch wenn wir wollten, hätten sagen können,