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ZWEITER TEIL: DRITTES BUCH
in die Oberwelt der Sprache annimmt, beim Stammsatz. Er
soll die Stammworte der Schöpfung und der Offenbarung zu
sammenschließen, jenes Nichts=als=Prädikat, das »Gut!«, mit
jenem Nichts=als=Subjekt, dem göttlichen Ich. Und da es ein
Satz werden muß, der von beiden Seiten gleichzeitig — wirk
lich zweistimmig — gesprochen werden muß, so kann jenes
Ich nicht Ich bleiben; Mensch und Welt müssen es gleichen
Atems singen können; an Stelle des göttlichen Ichs, das nur
Gott selber sprechen konnte, muß der göttliche Name treten,
den auch Mensch und Welt im Herzen tragen können, und
von ihm muß es heißen: er ist gut.
Dies ist der Stammsatz der Erlösung, das Dach über dem
Hause der Sprache, der an sich wahre Satz, der Satz, der
wahr bleibt, einerlei wie er gemeint ist und aus welchem
Munde er kommt. Daß zwei mal zwei vier ist, kann unwahr
werden, etwa wenn man es einem Papagei gelehrt hat und der
es nun »spricht«; denn was ist dem Papageien die Mathe-
mathik? Aber der Satz, daß Gott gut ist, kann selbst in die*
sem skurrilsten aller möglichen Fälle seines Lautwerdens keine
Unwahrheit werden; denn auch den Papageien hat Gott ge*
schaffen, und auch auf ihn geht schließlich seine Liebe. An die*
sen Satz müssen alle andern Sprachformen anzuknüpfen sein.
Und zwar, während dem Stammwort der Schöpfung die For
men folgen in der Reihe einer sachlichen Entwicklung wie die
einzelnen Sätze einer Geschichte und während das Stamm
wort der Offenbarung ein Wechselgespräch eröffnet, müssen
hier die Sprachformen alle den Sinn des einen Satzes tragen
und erläutern. Es müssen lauter Formen sein, die den Zu
sammenhang der beiden Satzteile deuten und kräftiger
schließen. Durch jede Form muß der Grundbaß des Satzes
durchtönen und die Formen selber müssen in steter Steigerung
den Satz immer hymnischer heben. Statt als Erzählung, die
vom Erzähler zur Sache strebt, statt als Zwiegespräch, das
zwischen zweien hin und her geht, tritt die Grammatik diesmal
auf als strophisch sich steigernder Gesang. Und Urgesang, der