Full text: Der Stern der Erlösung

VOM ALL 
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Auffassung. Erklärt wird gerade das nicht, was erklärt werden 
soll: wie die Welt zufällig sein kann, obwohl sie doch als not 
wendig gedacht werden muß. Diese, um es ganz kraß zu for 
mulieren, Nichtidentität von Sein und Denken muß am Sein 
und am Denken selber hervortreten und nicht durch ein als 
deus ex machina hinzukommendes Drittes, den Willen, der 
weder Sein noch Denken ist, geschlichtet werden. Und da 
der Grund der Einheit von Sein und Denken im Denken 
gesucht wird, so müßte zunächst im Denken der Grund der 
Nichtidentität aufgedeckt werden. 
Die Überlegung, in der das geschieht, geht etwa diesen 
Weg: Zugegeben, daß das Denken die ein und allgemeine 
Form des Seins ist, so hat doch das Denken selber einen 
Inhalt, ein Soundnichtanders, das dadurch, daß es rein gedacht 
wird, um nichts weniger soundnichtanders ist. Gerade diese 
seine »Spezifikation«, diese seine Verzweigung, gibt ihm die 
Kraft, sich mit dem ebenfalls verzweigten Sein zu — iden 
tifizieren. Die Identität von Denken und Sein setzt also eine 
innere Nichtidentität voraus. Das Denken, zwar durchweg 
auf das Sein bezogen, ist, weil zugleich auch auf sich selber 
bezogen, zugleich eine Mannigfaltigkeit in sich. Das Denken 
also, selber die Einheit seiner eigenen inneren Vielheit, be 
gründet außerdem, und zwar nicht insofern es Einheit, sondern 
insofern es Vielheit ist, die Einheit des Seins. Damit aber 
fällt die Einheit des Denkens, als unmittelbar nur auf das 
Denken, nicht auf das Sein gehend, aus dem Kosmos Sein» 
Denken heraus. Dieser Kosmos selbst in seiner Verflochten 
heit von zwei Vielheiten hat also jetzt die Einheit ganz jen 
seits. In sich ist er nicht Einheit, sondern Vielheit, kein all 
umschließendes All, sondern ein eingeschlossenes Eins, das in 
sich wohl unendlich, aber nicht abgeschlossen ist. Also, wenn 
das Wort erlaubt ist, ein ausschließendes All. Man könnte 
das Verhältnis, in das so die Einheit des Denkens und die 
Einheit von Denken und Sein miteinander treten, etwa ver 
gleichen mit* einer Wand, auf der ein Gemälde hängt. Der 
Vergleich ist sogar in mehrfacher Hinsicht aufschlußreich. 
Betrachten \yr ihn näher.
	        

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