ERLÖSUNG
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verleugnende Tat, in der sich ihre Augenblicklichkeit, ihr
Ganzsein in jedem Augenblick, offenbart, ist hier das erste;
die Ganzheit ihres Seins aber in der vollen Länge der erfüllten
Zeit muß erst noch entstehen. Paradox gesprochen: ihrem in
der Schöpfung geschehenen Sich=selbst-»offenbaren« als Krea
tur kann erst in der Erlösung ihr »Geschaffen«=sein sich unter
bauen. Oder vielleicht deutlicher: während bei Gott und
Mensch das Wesen älter ist als das Erscheinen, ist die .Welt
als Erscheinung geschaffen, längst ehe sie zu ihrem Wesen er
löst wird.
Der Grund dieser Sonderstellung der Welt liegt nun s in
dem, was wir schon beim Übergang vom ersten zum zweiten
Teil ausführten: der Mensch wie Gott sind schon, die Welt
wird. Die Welt ist noch nicht fertig. Es ist noch Lachen und
Weinen in ihr. Noch ist die Träne nicht weggewischt von jeg
lichem Angesicht. Dieser Zustand des Werdens, der Unfertig
keit, läßt sich nun nur fassen durch eine Umdrehung des ob
jektiven Zeitverhältnisses. Während nämlich das Vergangene,
das schon Fertige daliegt von seinem Anfang bis zu seinem
Ende und daher er=zählt werden kann — und alles Zählen hebt
vom Anfang der Reihe an —, ist das Zukünftige als das was es
ist, nämlich als Zukünftiges, nur zu fassen durch das Mittel
der Vorwegnahme. Wollte man auch das Zukünftige er*
zählen, so würde man es unabwendbar zum starren Ver
gangenen machen. Das Zukünftige will vorausgesagt werden.
Die Zukunft wird erlebt nur in der Erwartung. Das Letzte
muß hier in Gedanken das Erste sein. So muß in der Welt als
dem noch Werdenden die natürliche Reihenfolge der Selbst
gestaltung, der Weg von innen nach außen, vom Wesen zur
Erscheinung, von der Schöpfung zur Offenbarung, sich um
drehen; die Gestaltung muß hier bei der sich selbst verleug
nenden Erscheinung anheben und beim schlicht und ganz be
jahten Wesen enden. Das Werden der Welt ist nicht wie Got
tes und der Seele Werden ein Werden von innen nach außen,
sondern die Welt ist von Anfang an ganz Selbstoffenbarung
und doch noch ganz unwesenhaft; wie ihr Gerüste, die »Na