Full text: Der Stern der Erlösung

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ERSTER TEIL: EINLEITUNG 
Allheit? Hier steckt offenbar eine Voraussetzung und wieder 
jene ersterwähnte: die der Denkbarkeit der Welt. Es ist die 
Einheit des Denkens, die hier gegen die Vielheit des Wissens 
ihr Recht durchsetzt in der Behauptung der Allheit der Welt. 
Die Einheit des Logos begründet die Einheit der Welt als einer 
Allheit. Und hinwiederum bewährt jene Einheit ihren Wahr 
heitswert in dem Begründen dieser Allheit. Darum bedeutet 
ein erfolgreicher Aufstand gegen die Allheit der Welt zugleich 
eine Leugnung der Einheit des Denkens. In jenem ersten Satz 
der Philosophie, dem »Alles ist Wasser«, steckt schon die Vor 
aussetzung der Denkbarkeit der Welt, wenn auch erst Par- 
menides die Identität von Sein und Denken aussprach. Denn 
es ist keine Selbstverständlichkeit, daß man mit Aussicht auf 
eindeutige Antwort fragen kann: »was ist Alles?« Man kann 
nicht fragen: »was ist Vieles?«; darauf wären nur mehrdeutige 
Antworten zu erwarten; dagegen ist dem Subjekt Alles schon 
ein eindeutiges Prädikat vorweggesichert. Die Einheit des 
Denkens also leugnet, wer, wie es hier geschieht, dem Sein 
die Allheit abspricht. Der ganzen ehrwürdigen Gesellschaft 
der Philosophen von Jonien bis Jena wirft den Handschuh 
hin, wer es tut. 
Unsre Zeit hat es getan. Die »Kontingenz der Welt«, ihr 
Nuneinmalsosein, hat man wohl immer gesehen. Aber diese 
Kontingenz galt es eben zu bewältigen. Dies war ja gerade 
die eigentlichste Aufgabe der Philosophie. Im Gedachtwerden 
verwandelte sich das »Zufällige« in ein Notwendiges. Wieder 
erst nach dem vollendeten Abschluß, den dieses Streben des 
Denkens durch den deutschen Idealismus erreichte, kam mit 
Schopenhauer und in der Schellingschen Spätphilosophie eine 
entgegengesetzte Richtung auf. Der »Wille«, die »Freiheit«, 
das »Unbewußte« konnte, was die Vernunft nicht gekonnt 
hatte: über einer Welt von Zufall walten. So schienen gewisse 
Richtungen des Mittelalters wieder aufzuleben, welche die 
»contingentia mundi« behaupteten, um die verantwortungslose 
Willkür des Schöpfers sicher zu stellen. Aber eben diese 
geschichtliche Erinnerung führt auf das Bedenkliche jener
	        

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