ERLÖSUNG
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Nicht der Ursprung der Welttat liegt hier, aber ihre Voraus
setzung. Die Verhältnisse also zu Gott und zur Welt, aus
denen sich das Gesamtbild des Menschen ergibt, haben im
Islam genau die umgekehrten Vorzeichen wie im wahren Glau
ben; und so ist auch jenes Ergebnis entgegengesetzt. Im
Islam folgt der freien, immer wieder neu zu erkämpfenden
Eingabe der Seele an Gott der schlichte Gehorsam der Tat
in der Welt. Im Kreis der Offenbarung folgt dem einfüralle-
mal geschehenen demiitig=stolzen Eingegangensein der Seele
in den Frieden der göttlichen Liebe die immer plötzliche,
immer überraschende freie Tat der Liebe. So steht an Stelle
des Heiligen und der paradoxen, alle Erwartung trügenden
und übertreffenden, aller Nachahmung spottenden Form seiner
Frömmigkeit das schlicht vorbildliche Leben des Frommen
im Islam. Jede Heiligengestalt hat ihre ganz eigenen Züge:
zur Heiligengestalt gehört die Heiligenlegende. Vom Heiligen
im Islam erzählt man nichts; man ehrt sein Andenken, aber
dies Andenken ist inhaltlos, es ist nur das Andenken einer
Frömmigkeit überhaupt. Und wieder findet diese auf dem
Grunde einer freien, mühsam immer neu gewonnenen Selbst
verleugnung schlicht gehorsame Frömmigkeit merkwürdiger
weise ihre genaue Entsprechung in der Weltfrömmigkeit des
freien Sicheinfiigens in das allgemeine Gesetz, wie sie die
neuere Zeit etwa in der Ethik Kants und seiner Nachfolger,
sowie überhaupt im allgemeinen Bewußtsein gegenüber dem
unheimlich unberechenbaren Überschwang des Heiligen für
sich auszubilden gesucht hat.
A uf die Welt also ist die Tat gerichtet; die Welt ist der
.andre Pol, nach welchem die Nächstenliebe hinstrebt. So
wie in dem Gedanken, daß Gott schafft oder daß er sich offen
bart, schon der Hinweis auf etwas andres liegt, das er schafft,
dem er sich offenbart, so hier der Hinweis auf ein Etwas, das
der Mensch liebt. Dieses Etwas wird im Gebot bezeichnet
als der Nächste, und zwar bedeutet das Wort sowohl in der
heiligen Sprache wie im Griechischen den jeweils, den grade