ERLÖSUNG
Ul
18*
D er Begriff des Wegs Allahs ist ganz etwas andres als
Gottes Wege. Gottes Wege sind ein Walten göttlichen
Ratschlusses hoch über dem menschlichen Geschehen. Das
Wandeln auf dem Weg Allahs aber bedeutet im engsten Sinne
die Ausbreitung des Islam durch den Glaubenskrieg. In dem
gehorsamen Beschreiten dieses Wegs, dem Aufsichnehmen
der damit verbundenen Gefahren, dem Befolgen der dafür vor
geschriebenen Gesetze findet die Frömmigkeit des Moslim
ihren Weg in die Welt. Der Weg Allahs ist nicht erhaben
über den Weg des Menschen, soweit der Himmel über der
Erde ist, sondern der Weg Allahs bedeutet unmittelbar den
Weg seiner Gläubigen.
Es ist ein Weg des Gehorsams. Das unterscheidet ihn,
mehr als sein Inhalt, von der Liebe des Nächsten. Der
Glaubenskrieg kann und soll durchaus »human« geführt
werden; die Vorschriften Muhameds sowie das, was sich auf
Grund dieser Vorschriften an Kriegs- und Eroberungsrecht
ausgebildet hat, übertreffen in dieser Hinsicht bei weitem den
zeitgenössischen, auch den christlichen Kriegsbrauch; »Tole
ranz« hat der Islam in gewisser Beziehung gefordert und ge
übt, längst ehe das christliche Europa diesen Begriff entdeckte.
Und andrerseits konnte die Nächstenliebe, nicht in Aus
artungen, sondern in legitimer Entwicklung, zu Folgen führen,
die in ihre oberflächliche Auffassung ganz und gar nicht hinein
passen wollen, wie Glaubenskrieg und Ketzergericht. Im
Inhalt liegt also der Unterschied nicht. Er liegt einzig in der
inneren Form, die auf dem Weg Allahs der Gehorsam des
Willens gegen die einfürallemal gegründete Vorschrift ist, in
der Liebe des Nächsten das immer neue Zerbrechen der
Dauerform des Charakters durch das immer überraschende
Hervorbrechen der Liebestat. Worin diese Tat im einzelnen
bestehe, das läßt sich eben deshalb nicht im voraus sagen; sie
muß überraschend sein; wäre sie im voraus anzugeben, so
wäre sie nicht Liebestat.
Der Islam hat solch ein genaues positives Bild vor Augen,
wie die Welt durch das Beschreiten des Wegs Allahs um