Full text: Der Stern der Erlösung

ERLÖSUNG 
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Untergang des Helden notwendig machte. An sich ist eben, 
ein Selbst zu sein, Pflicht und Recht jedes Menschen, und 
tragisch zu werden ist mehr ein in der einmal des Menschen 
herrgewordenen Anlage bedingtes Unglück als sittliche Schuld, 
und daher fühlt sich der Zuschauer zum tragischen Mitleid 
hingerissen. Der Charakter also, der Daimon, von dem der 
Mensch besessen ist, sucht sich nun seinen Weg ins Freie. 
Wieder muß er sich innerlich verkehren, aus einem einfüralle- 
mal »Bejahten« zum in allzeit neuer Selbstverneinung seines 
Ursprungs, des verschlossenen Selbst, sich Hervorringenden 
werden. Was aber ist das für ein Charakter, der jeden 
Augenblick erlischt und jeden Augenblick wieder frisch her- 
vorbricht? Wir hatten etwas ganz Ähnliches schon im 
vorigen Buch bei dem sich offenbarenden Gott gesehen. Hier 
war es das Wesen, das innergöttliche Schicksal gewesen, das 
in jenem sich Offenbaren die Gestalt einer jeden Augenblick 
erneuerten und doch immer schicksalhaft gewaltigen Leiden 
schaft annahm. Diese göttliche Liebe, sollten wir hier ihr 
menschliches Gegenstück gefunden haben? 
Ja und nein! Nämlich allerdings kein Gegenstück. Gegen 
stück, ja mehr als Gegenstück, unmittelbares Gleichnis war die 
Liebe des menschlichdrdisch Liebenden dem göttlichen Lieben. 
Aber was wir hier fanden, ähnelt dem göttlichen Lieben nur 
in seiner Augenblicksverhaftetheit, seiner immer neuen Gegen 
wärtigkeit, also eigentlich nur in dem, was schon bedingt war 
durch sein Hervortreten unter dem Zeichen des Nein. Aber 
was das göttliche und das menschliche Lieben darüber hinaus 
unmittelbar gleichmachte, die schicksalhafte Gewalt, mit der 
es hervorbrach, das ist in dem Hervorbruch, den wir jetzt be 
trachten, gar nicht wirksam. Kein Schicksal steht hinter ihm, 
sondern ein Charakter. Kein wesenhaftes Muß also, sondern 
ein gleichfalls wesenhaftes Dämonisches. Was war denn der 
Daimon, der Charakter, im Unterschied von der Persönlich 
keit? Die Persönlichkeit war Geburtsanlage, der Charakter 
etwas, was plötzlich über den Menschen herfiel, keine Anlage 
also, sondern gegenüber der breiten Mannigfaltigkeit der An
	        
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