VOM ALL
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muß diese Jenseitigkeit der neuen Frage allem gegenüber, was
unter dem Begriff Ethik bisher allein verstanden war und
allein verstanden werden durfte, anerkannt werden. Der
Weltanschauung tritt gegenüber die Lebensanschauung. Ein
Teil der Weltanschauung ist und bleibt die Ethik. Das beson
dere Verhältnis der Lebensanschauung zur Ethik ist nur das
des besonders intimen Gegensatzes, gerade weil sich beide
zu berühren scheinen, ja gegenseitig immer wieder den An
spruch erheben, die Fragen der andren mitzulösen. In
welchem Sinn das wirklich der Fall ist, wird sich noch zeigen.
Aber der Gegensatz der Lebensanschauung zur Weltan
schauung jedenfalls spitzt sich so scharf auf den Gegensatz
zum ethischen Teil der Weltanschauung zu, daß man die
Fragen der Lebensanschauung geradezu als metaethische be
zeichnen möchte.
Ein solches Heraustreten dessen, was man mehr oder
weniger deutlich als persönliches Leben, Persönlichkeit, Indi
vidualität bezeichnet — lauter durch ihre Verwendung in der
Weltanschauungsphilosophie belastete und für uns also nicht
ohne weiteres brauchbare Begriffe — ein solches Heraustreten
also der »metaethischen« Fragen heraus aus dem Bereich des
Weltwissens kann auch an diesem selbst nicht spurlos vor
übergehen. Mit dieser Befestigung einer, man möchte sagen,
unverdaulichen Tatsächlichkeit außerhalb der großen geistig
bewältigten Tatsachenfülle der wißbaren Welt ist ein, ja der
Grundbegriff dieser Welt entthront. Sie beanspruchte, das All
zu sein; »Alles« heißt das Subjekt des ersten Satzes, der bei
ihrer Geburt ausgesprochen wurde. Nun hat gegen diese All
heit, die das All als Einheit umschließt, eine eingeschlossene
Einheit gemeutert und sich als eine Einzelheit, als Einzelleben
des Einzelmenschen, den Abzug ertrotzt. Das All kann also
nicht mehr behaupten, Alles zu sein; es ist seiner Einzigkeit
verlustig gegangen.
Worauf beruhte denn jene Allheit? Weshalb wurde denn
die Welt nicht etwa als Vielheit gedeutet? Warum gerade als