Full text: Der Stern der Erlösung

2Ö4 ZWEITER TEIL: DRITTES BUCH 
wallen der Außenwelt an den Helden, dies Angesprochen 
werden der marmorstummen Gestalt. Auf der Bühne dar 
gestellt mußte das werden; es genügte nicht, es dem Emp 
finden des Zuschauers zu überlassen; denn an sich wäre es 
allerdings sehr natürlich, wenn dem stummen Helden gegen 
über der Beschauer sich verstummen, dem blinden gegenüber 
auch er sich erblinden fühlte. Aber das soll eben nicht sein; 
der Held soll sichtbare Gestalt sein, in der Welt stehen, auch 
wenn er es selbst weder weiß noch wahrhaben will; und 
eben dies Gefühl, daß es so ist, zwingt dem Beschauer der 
Chor auf, der den Helden ansieht, anhört, anredet. In sich 
eingeschlossen also war das Selbst wohl, aber nicht ver* 
schlossen vor den Blicken der Welt. Der stumme Held stand 
trotz seiner Stummheit in der Welt. Weil er das tat, nur des 
wegen war überhaupt irgendeine Welt im Heidentum möglich, 
trotzdem der Held da war. Denn er stand zwar wie ein Block 
in ihr da, aber er war ihren Wirkungen nicht schlechtweg ent 
zogen; Tarnkappe und Gygesring sind deshalb so unheimlich 
und letzthin unheilbringend, weil sie jeden Zusammenhang der 
Welt sprengen. 
Tarnkappe und Gygesring aber scheint nun das Selbst zu 
tragen, wenn man es allein als den gottseligen Empfänger der 
Offenbarung betrachtet; so wie die in ihrer Götterburg ge 
borgenen, hier aber voll lebendigen und sichtbaren Götter 
gestalten des Heidentums von der Schöpfung allein her 
gesehen sich zum verborgenen Gott verdunkelten. Der nur 
gottgeliebte Mensch ist vor aller Welt verschlossen und ver 
schließt sich selber. Das ist das jedem natürlichen Gefühl 
Unheimliche und auch objektiv Unheilbringende aller Mystik, 
daß sie dem Mystiker eine solche Tarnkappe wird. Seine 
Seele öffnet sich Gott, aber weil sie sich nur Gott öffnet, so 
ist sie aller Welt unsichtbar und ihr verschlossen. Der Mystiker 
dreht in hochmütigem Vertrauen den Zauberring an seinem 
Finger, und sofort ist er mit »seinem« Gott allein, und für die 
Welt nicht mehr zu sprechen. Möglich wird ihm das nur da 
durch, daß er ganz und gar nichts weiter sein will als Gottes
	        

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