DRITTES BUCH
ERLÖSUNG
ODER
DIE EWIGE ZUKUNFT
DES REICHS
L IEBE deinen Nächsten. Das ist, so versichern Jud und
Christ, der Inbegriff aller Gebote. Mit diesem Gebot
J verläßt die mündig gesprochene Seele das Vaterhaus der
göttlichen Liebe und wandert hinaus in die Welt. Ein Liebes-
gebot wie jenes Urgebot der Offenbarung, das in allen ein
zelnen Geboten mittönt und sie erst aus der Starrheit von
Gesetzen zu lebendigen Geboten schafft. Jenes Urgebot
konnte Liebe gebieten, weil es aus dem Munde des Liebenden,
den wiederzulieben es gebot, selber kam, — weil es ein »Liebe
mich« war. Wenn nun der Inbegriff, das worin alle aus jenem
Urgebot entsprungenen Gebote schließlich münden, gleichfalls
ein Liebesgebot ist, wie vereint sich das damit, daß jenes Ur
gebot die einzige Liebe gebietet, die geboten werden kann?
Die Antwort auf dieses Bedenken könnte leicht in einem
kurzen Wort vorweggenommen werden. Statt dessen sei ihr
lieber das ganze Schlußbuch dieses Teils gewidmet. Denn sie
enthält, so einfach sie ist, alles in sich, was die beiden voran
gehenden Bücher noch offen lassen mußten.
D ie Seele hatte sich in einem unendlichen, einfürallemal
gesagten Ja vor Gott hingebreitet. So war sie aus ihrer
Verschlossenheit im Selbst herausgetreten. Nicht daß sie das
Selbst verleugnet hätte, nein: sie war wirklich nur aus ihm
herausgetreten, heraus aus seiner Verschlossenheit ins Freie;
nun lag sie breit und geöffnet da. Geöffnet, hingegeben, ver
trauend, — aber geöffnet nur nach einer einzigen Richtung,
hingegeben nur einem Einzigen, vertrauend nur Ihm. Die