OFFENBARUNG
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ganz und gar da, und so wird das Sprachwunder der Offen
barung zum Zeichen der göttlichen Schöpfung und also zum
echten Wunder; Die Künstler werden also eigentlich geopfert
für die Menschlichkeit der übrigen Menschheit. Die Kunst
bleibt Stückwerk, -damit das Leben ein Ganzes sein und wer
den kann. Und so ist die Kunst uns hier in allen Büchern
dieses Teils, anders übrigens als in den Büchern der andern
Teile, zwar nur Episode, aber eine notwendige. Wenn wir im
vorigen Buch es so ausdrückten, daß sie Gesprochenes sei,
nicht Sprache, so müssen wir also nun hinzufügen, daß sie
unter allem Gesprochenen das ist, was nicht ungesprochen
bleiben dürfte. Wir setzen nun die im vorigen Buch begonnene
Darstellung ihrer Grundbegriffe an Hand der in diesem Buch
neu hinzugekommenen »Kategorie« Offenbarung fort.
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Genau wie im vorigen Buch die Kategorie der Schöpfung
in ihrer Bedeutung für die Kunst bestimmt werden mußte
durch unmittelbares Zurückgehen auf ihre Wesenselemente,
die wir in der Vorwelt aufgedeckt hatten, so auch jetzt die
Kategorie der Offenbarung. Die Schöpfungsbegriffe der Kunst
lehre entspringen in der Einwirkung des »Mythischen« auf
das »Plastische«, in dem Hervortreten also des Einzelnen aus
dem Ganzen, eines ästhetisch reichen Wirklichen aus einem
ihm vorangehenden Vorästhetischen, das sich zu jenem ver
hält wie der Schöpfer zur Kreatur: er setzt sie frei aus sich
heraus ins Freie. So entspringen die Offenbarungsbegriffe der
Kunstlehre in der Einwirkung des »Mythischen« auf das »Tra
gische«, also des Ganzen auf den zu vernichtenden seelischen
Gehalt. Das ist eine ganz andersartige Einwirkung als jene.
Die Beseeltheit wird nicht geschaffen, nicht freigesetzt, son
dern ringt sich aus der Ganzheit los; das vorästhetische Ganze
muß sich selbst preisgeben um der ästhetischen Beseeltheit
willen. Es ist auch hier nicht so, daß die Offenbarungsbegriffe
•aus den Schöpfungsbegriffen entspringen, sondern sie sind
gleich ursprünglich wie jene; sie kommen unmittelbar aus dem
im Verhältnis zu ihnen vorästhetischen Ganzen.