OFFENBARUNG
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dies Wirkliche auch dann ihnen untertan ist, wenn sie bloße
Begriffe wären? Eingetanheit ist ja unendlich mehr als Unter-
tanheit, so viel mehr, wie Freiheit mehr ist als Knechtschaft.
Und in die Wirklichkeit der Offenbarung eingetan, gewinnt
alles die Freiheit, die es, unter die Knechtschaft der Begriffe
untergetan, eingebüßt hat. Weshalb also dieses Zugeständnis?
Weil zwar alles Wirkliche zur Freiheit berufen ist, aber
nicht das Halbwirkliche, nicht das Wirkliche zweiter Ord
nung, nämlich wohl alles Wirkende, aber nicht das Gewirkte.
Das Werk, das Gemachte — wohlgemerkt das Nurwerk, denn
selbst der Mensch kann in gewisser Hinsicht Werk sein —
also das Nichts=als=Werk erweist sich als Wirklichkeit zwei
ter Ordnung gerade dadurch, daß die Reihe, in die alle Wirk
lichkeit erster Ordnung eingetan ist, an ihm aus einer wirk
lichen Reihe, einer Abfolge von Bahnpunkten, zu einer bloßen
Mehrheit von Kategorien wird. Diesem Halbwirklichen, die
sem bloß als Teil, bloß als Glied Wirklichen ist die Reihe
Schöpfung=Offenbarung=Erlösung nicht sein Haus, in dem es
wohnt, sondern sein zuständiges Gerichtsgebäude, wohin es
bloß gerufen ist, um vernommen zu werden. Die Fragen etwa,
die von der Philosophie in der Logik oder in der.Ethik abge
handelt werden, haben ihren festen Wohnsitz in der Reihe der
Wirklichkeit, wie wir es für die logischen Probleme und die
ihnen durch »Intellektualisierung« angeglichenen ethischen ja
schon gezeigt haben. Der Mensch ist eben ganz, wenn er
denkt, und auch ganz, wenn er handelt; denn es ist ihm
schlechtweg geboten zu denken und zu handeln, und jedem
Menschen. Aber der Künstler ist kein Mensch, sondern ein
Unmensch; was schon daraus erhellt, daß nicht jedem Men
schen geboten ist, Künstler zu sein. Wie die Künstler nur ein
Teil der Menschheit sind, wenn auch ein notwendiger, und
wie uicht jedem Menschen, aber dem Künstler allerdings, ge
boten ist, das Kunstwerk zu schaffen, so sind sie, indem sie
es nun schaffen, auch nicht ganz Mensch. Man hält dem
Künstler seine menschlichen Mängel zugute und gesteht ihm
»poetische Lizenzen« und »Künstlermoral« zu. Man gesteht