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ZWEITER TEIL: ZWEITES BUCH
ist da zu Ende. Denn der Schrei, den die Seele im Augenblick
der höchsten unmittelbaren Erfüllung stöhnt, tritt über die
Schranken dieser Wechselrede hinaus; er kommt nicht mehr
aus der seligen Gestilltheit des Qeliebtseins, sondern steigt in
neuer Unruhe aus einer neuen uns noch unerkannten Tiefe der
Seele und schluchzt über die ungesehene, doch gefühlte Nähe
des Liebenden hinweg in den Dämmer der Unendlichkeit
hinaus.
Im eilenden Hin- und Wiedergang der Rede konnten wir
kaum mit genügender Deutlichkeit die Punkte bezeichnen, wo
die sprechende Sprache der Offenbarung sich von der fest»
stellenden, erzählenden, bedingenden Sprache der Schöpfung
abschied. Das sei hier zusammenfassend, in gewissermaßen ta
bellarischer Kürze nachgeholt. DerZeitform der Vergangenheit,
in der die Schöpfung als Tat gegründet war und als Ergebnis
gipfelte, entspricht hier beherrschend die Gegenwart. Die
Offenbarung ist gegenwärtig, ja ist das Gegenwärtigsein
selber. Die Vergangenheit, in die auch sie zurücksieht in dem
Augenblick, wo sie ihrer Gegenwärtigkeit die Form der Aus
sage geben möchte, wird ihr nur sichtbar, indem sie mit dem
Licht der Gegenwart in sie hineinleuchtet; erst in diesem Blick
rückwärts erweist sich die Vergangenheit als Grund und Vor
aussage des gegenwärtigen, im Ich behausten Erlebens. An
sich und zunächst aber ist dem Erlebnis überhaupt nicht die
Form der Aussage eigen wie dem Geschehen der Schöpfung,
sondern seine Gegenwärtigkeit wird befriedigt nur durch die
Form des unmittelbar in einem entspringenden, gesprochenen,
vernommenen und vollzogenen Gebots: der Imperativ gehört
der Offenbarung wie der Indikativ der Schöpfung; nur er
verläßt nicht den Kreis des Ich und Du. Was in jenem all
umfassenden, einsamen, monologischen »lasset uns« Gottes
bei der Schöpfung des Menschen vorausklang, das geht im
Ich und Du des Offenbarungsimperativs in Erfüllung. Das
Er=sie*es der dritten Person ist verklungen. Es war nur der
Grund und Boden, aus dem das Ich und Du hervorwuchs. Dem