OFFENBARUNG
füllt, erfüllt ihre Welt nur zum kleinsten Teil; genug, um ihrer
weltlichen Wirklichkeit im Glauben gewiß sein zu können;
nicht genug, um dieses Glaubens zu leben. Das einmal im
Vergangenen geschehene Grundwunder der Offenbarung ver
langt seine Ergänzung in einem weiteren noch ungeschehenen
Wunder. Der Gott, der einmal die Seele bei ihrem Namen
gerufen hat — was »feststeht« wie alles Vergangene, aber
doch zu keines Dritten Kenntnis gekommen ist —, er muß es
einst »abermals« tun, dann aber »vor den Augen alles Leben»
digen«.
So muß die Seele beten um das Kommen des Reichs. Ein
mal ist Gott herniedergestiegen und hat sein Reich gegründet.
Die Seele betet . um die künftige Wiederholung dieses Wun
ders. um die Vollendung des einst gegründeten Baus und um
nichts weiter. Die Seele schreit: O daß du den Himmel zer
rissest und führest hernieder. Sehr tief drückt der Sprach
gebrauch der Ursprache der Offenbarung ein solches »o daß
du . . .« aus durch die Frageform: »Wer gäbe, daß du . . .«
Die Offenbarung gipfelt in einem unerfüllten Wunsch, in dem
Schrei einer offenen Frage. Daß die Seele den Mut hat. so zu
wünschen, so zu fragen, so zu schreien, diese Vollkommen
heit des in Gott geborgenen Vertrauens ist das Werk der
Offenbarung. Aber den Wunsch zu erfüllen, die Frage zu be
antworten, den Schrei zu stillen, das liegt nicht mehr in ihrer
Macht. Ihr eignet das Gegenwärtige; ins Zukünftige wirft sie
nur den Wunsch, die Frage, den Schrei. Denn anders als in
diesen drei Gestalten, die nur eine sind, erscheint die Zukunft
nicht im Gegenwärtigen. Und deshalb ist dies Letzte, das Ge
bet, obwohl ihr Höchstes, doch ihr nur halb angehörig, nur
als Betenkönnen und Betenmüssen, nicht als — wirkliches
Beten. Das Gebet um das Kommen des Reichs ist immer nur
ein Schreien und Seufzen, nur ein Stoßgebet. Es gibt noch ein
anderes Beten. So bleibt das Letzte, was ganz dem Reich der
Offenbarung angehört, doch der völlig beruhigte Glaube, die
Gestilltheit der Seele in Gottes »Du bist mein«, der Friede,
den sie in seinen Augen gefunden. Die Wechselrede der Liebe