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ZWEITER TEIL: ZWEITES BUCH
Nun, nachdem Gott innerhalb und auf Grund der Offen
barung Sein gewonnen hat, ein Sein also, das er nur als offen
barer Gott gewann, ganz unabhängig von allem Sein im Ge
heimen: nun kann er sich auch seinerseits zu erkennen geben,
ohne Gefahr für die Unmittelbarkeit und reine Gegenwärtigkeit
des Erlebens. Denn das Sein, das er jetzt zu erkennen gibt,
ist kein Sein mehr jenseits des Erlebens, kein Sein im Ver
borgenen, sondern es ist ganz in diesem Erleben groß
gewachsen, es ist ganz im Offenbaren. Er gibt sich nicht zu
erkennen, ehe er sich offenbart hat, sondern sein Offenbar
gewordensein muß vorangehen, damit er sich zu erkennen
geben könne. Ehe ihn die Seele bekannt hat, kann er sich ihr
nicht zu erkennen geben. Nun aber muß ers. Denn das ists,
wodurch die Offenbarung erst zum Abschluß kommt. Sie
muß in ihrer grundlosen Gegenwärtigkeit nun dauernd auf
Grund kommen, einen Grund, der jenseits ihrer Gegenwärtig
keit, also im Vergangenen liegt, aber den sie selber sichtbar
macht nur aus der Gegenwärtigkeit des Erlebens heraus. Jene
vielberufene Rückbeziehung der Offenbarung auf die Schöp
fung, das ist es letzthin, was wir hier meinen. Aber, wie eben
gesagt, nicht erklärt wird die Offenbarung aus der Schöpfung;
dann wäre ja die Schöpfung gegen sie etwas Selbständiges.
Sondern die vergangene Schöpfung wird von der lebendig
gegenwärtigen Offenbarung aus bewiesen. Bewiesen, nämlich
gewiesen. Im Lichtschein des erlebten Offenbarungswunders
wird eine dieses Wunder vorbereitende und vorsehende Ver
gangenheit sichtbar; die Schöpfung, die in der Offenbarung
sichtbar wird, ist Schöpfung der Offenbarung. Erst an dieser
Stelle, wo der Erlebnis- und Gegenwartscharakter der Offen
barung unverrückbar festgestellt ist, erst hier darf sie eine
Vergangenheit bekommen, aber hier muß sie es nun auch. Auf
das bekennende »Ich bin dein« der Seele antwortet Gott nicht
ebenso einfach sein »Du bist mein«, sondern er greift zurück
ins Vergangene und weist sich aus als der Urheber und Er-
öffner dieses ganzen Zwiegesprächs zwischen ihm und der
Seele: »Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist
mein«.