OFFENBARUNG
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zeigte, und meint sie mit dem Begriff der Offenbarung, so wie
sie sind, in Bewegung bringen zu können. Muhamed war
stolz darauf, seinen Anhängern den Glauben leicht gemacht
zu haben. Er hat ihn zu leicht gemacht. Er meinte, sich und
den Seinen die innere Umkehr ersparen zu können. Er wußte
nicht, daß alle Offenbarung mit einem großen Nein beginnt.
Die Umkehr, welche alle Begriffe der Vorwelt beim Eintritt
ins Licht der wirklichen Welt erleiden, ist nichts andres als
dieses Nein. Wie die Schöpfung im Zeichen des Ja, so steht
die Offenbarung im Zeichen des Nein. Nein ist ihr Urwort.
Ihr erstes lautes aber, ihr »Stammwort«, heißt Ich.
I ch ist stets ein laut gewordenes Nein. Mit »Ich« ist immer
ein Gegensatz aufgestellt, es ist stets unterstrichen, stets
betont; es ist immer ein »Ich aber«. Auch wenn es unbekannt
bleiben will und sich in den schlichten Mantel der Selbstver
ständlichkeit hüllt, wenn etwa Luther vor dem Reichstag sein
Hingestelltsein, sein Bestimmtsein, seine Zuversicht bekennt,
und alles drei nicht als das »Seine«, — selbst dann verrät das
blitzende Auge den vermummten König, und die Welt
geschichte setzt in der Stunde der Demaskierung drei dicke
Striche unter jenes dreifache Ich. Ich ist eben stets, mag es
wollen oder nicht, Subjekt in allen Sätzen, in denen es auftritt.
Es kann nie passiv, nie Objekt sein. Man frage sich einmal
ehrlich, ob in dem Satze »du schlägst mich« oder »er schlug
mich«, natürlich nicht wenn man ihn liest, sondern wenn man
ihn spricht, wirklich das Du oder Er Subjekt ist oder nicht
vielmehr, wie schon ein merkbarer Akzent in der Betonung
verrät, der bei einem gewöhnlichen Objekt ausbleibt, das Ich.
Aber auch vom Urwort selbst, von dem »Nicht anders«, als
welches das Urnein in jedem Wort mitspricht, führt die Laut-
werdung gradewegs zum Ich. Ja, hier wird erst deutlich,
warum wir uns nicht nach dem scholastischen Vorbild mit
einem Sic et Non begnügen konnten, sondern ein So und
Nichtanders, für das Non also die doppelte Verneinung eines
Nichtanders. behaupten mußten.