OFFENBARUNG
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nicht. Schon daß »Islam« Gottergebensein heißt, wie Goethe
meint, ist eine irreführende Übersetzung. Islam heißt nicht
gottergeben sein, sondern sich Gott ergeben, sich zufrieden
geben. Das Wort, das in seiner schlichten Stammform in
der heiligen Sprache jenen stillen, seienden Frieden Gottes
bezeichnet, wird in dem Wort »Islam« durch die Vorsilbe in
ein Causativ, ein Machen, ein Veranlassen, eine Tat um
gewandelt. Das Gibdichzufrieden des Islam mündet nicht in
ein »sei stille«, sondern es bleibt immer weiter beim Sichzu-
friedengeben, das immer wieder in jedem Augenblick erneuert
werden muß. So behält auch die Demut des Menschen, an
den die Offenbarung geht, im Islam das Vorzeichen des
Trotzes des Selbst, das sich in jedem Augenblick selbst ver
leugnende Nein. »Islam« ist keine zuständliche Haltung der
Seele, sondern eine unaufhörliche Folge von Pflichterfüllungen.
Und zwar nicht etwa so, daß diese Pflichterfüllungen gewis
sermaßen nur symbolisch, eben als Zeichen und Ausdruck des
befriedeten Seelenzustandes oder als Mittel zu seiner Er
reichung verstanden würden, sondern sie werden an sich
gewertet und sind mehr oder weniger auch derart rationell,
daß eine solche unmittelbare Wertung wohl statthaben kann.
So kommt der Islam zu einer ausgesprochenen Ethik der Lei
stung. An der einzelnen sittlichen Tat wird das Maß der Gott
ergebung geschätzt, das zu ihrer Vollbringung erforderlich ist.
Je schwieriger die Tat ist, um so mehr wird sie geschätzt,
denn um so höher ist die Gottergebung, die zu ihr erforderlich
war.
Während für den Glauben die sittliche Tat als einzelne
eigentlich wertlos ist und höchstens als Zeichen des ganzen
Zustands demütiger Gottesfurcht bewertet werden kann. Die
Seele selbst wird hier gewogen, die Echtheit ihres Glaubens,
die Kraft ihrer Hoffnung, nicht die einzelne Tat. Es gibt keine
schweren und leichten Pflichten. Alle sind gleich schwer oder
gleich leicht, weil alle nur symbolisch sind. In seiner
Schätzung der Schwierigkeit der einzelnen Leistung wird der
Islam so, ohne es zu wollen, der Erbe der Ethik des aus