OFFENBARUNG
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Stellung geben, daß Gott selber »herniedersteigt«, selber sich
dem Menschen schenkt, sich ihm preisgibt? Er thront in
seinem höchsten Himmel und schenkt dem Menschen — ein
Buch.
D em Menschen. Er ist der andre Pol der Offenbarung.
Auf ihn ergießt sich die göttliche Liebe. Wie macht er
sich bereit, sie zu empfangen? Denn er muß sich bereiten.
Der Mensch, den wir als den »metaethischen« kennen lern
ten, ist unbereit; er hört nicht, er sieht nicht — wie soll er
da die Gottesliebe empfangen? Auch seine Verschlossenheit
muß sich erst auftun, auf daß er Gottes Wort hören, Gottes
Leuchten sehen lerne. Trotz und Charakter, Hybris und
Daimon waren in ihm zusammengetreten und hatten ihn zum
in sich gekehrten stummen Selbst gebildet. Nun er aus sich
heraustritt, enthüllen sich auch hier wieder die Kräfte, die
ihn bildeten. Und wieder treten sie in der umgekehrten Reihe
ihres Eintritts hervor. Der trotzige Stolz des freien Willens,
der in seinen immer erneuten Aufwallungen den daseienden
Charakter zum Selbst schloß, wird jetzt das erste, was aus
dem Innern des Selbst nach außen tritt, und als ein erstes, ein
Anfang des Nachaußentretens, notwendigerweise nicht mehr
in der Gestalt leidenschaftlicher Aufwallungen, deren jede ein
zelne in ihrer Augenblicklichkeit die ganze Höhe erschwingt,
sondern in ruhiger Ausbreitung.
Ein Stolz, der, statt trotzig aufzuschäumen, ruht? Ein
Stolz also, der nicht mit krampfiger Gewalt das Antlitz des
Menschen verzerrt, sondern der einfach da ist und, statt den
Menschen bis zur Unkenntlichkeit zu verwandeln, vielmehr
wie ein stilles Gewässer sich um ihn und unter ihn breitet
und ihn trägt. Was ist das für ein Stolz, der also sich dem
Stolz des Trotzes entgegenzusetzen scheint? Ein Stolz, der
nicht in dem Augenblick seiner Äußerung eine besondere Art
Mensch zu schaffen scheint; denn der Trotzige ist ein beson
deres Menschenbild; sondern der als eine Eigenschaft auftritt,
die der Mensch dauernd an sich trägt, ohne daß ihr eigent-