OFFENBARUNG
ihrem Blick getroffen hat, noch im Dunkel, eben dem Dunkel
der Schöpfung ruht? Dies Dunkel ist das Nichts, das ihr als
geschaffener »Grund« zugrunde liegt. Aber in ihr selbst, auf
der schmalen Planke ihrer Augenblicklichkeit, ist für kein Be
dürfnis Raum; sie ist, in dem Augenblick, in dem sie ist, ganz
erfüllt; die Liebe des Liebenden ist immer »glücklich«; wer
wollte ihm sagen, daß er noch etwas bedürfe außer — zu
lieben ?
So ist Liebe keine Eigenschaft, sondern ein Ereignis, und
keine Eigenschaft hat Platz in ihr. »Gott liebt« heißt nicht,
daß die Liebe ihm eignet wie eine Eigenschaft, etwa wie die
Macht, zu schaffen, Liebe ist nicht die feste unveränderliche
Grundform seines Antlitzes, nicht die starre Maske, die der
Former vom Antlitz des Toten abnimmt, sondern das flüchtige,
nie versiegende Mienenspiel, das immer junge Leuchten, das
über die ewigen Züge geht. Liebe scheut davor, ein Bildnis
vom Liebenden zu machen; das Bildnis ließe das lebendige
Antlitz zum Toten erstarren. »Gott liebt« ist reinste Gegenwart
— was weiß Liebe selber, ob sie lieben wird, ja selbst, ob sie
geliebt hat? Genug, sie weiß das eine, daß sie liebt. Sie geht
auch nicht ins Breite der Unendlichkeit, wie die Eigenschaft
es tut; Weisheit und Macht sind Allweisheit und Allmacht,
Liebe ist nicht Allliebe; vom »allliebenden« Vater weiß die
Offenbarung nicht; Gottes Liebe ist stets ganz in dem Augen
blick und an dem Punkt, wo sie liebt, und nur in der Unend
lichkeit der Zeit, Schritt für Schritt, erreicht sie Punkt auf
Punkt und durchseelt das All. Gottes Liebe liebt, wen sie
liebt und wo sie liebt; keine Frage hat das Recht, ihr zu
nahen, denn jeder Frage wird einmal die Antwort werden,
indem Gott auch ihn, auch den Frager, der sich von Gottes
Liebe verlassen glaubt, liebt. Gott liebt immer nur, wen und
was er liebt; aber was seine Liebe von einer »Allliebe«
scheidet, ist nur ein Nochnicht; nur noch nicht liebt Gott alles
außer dem, was er schon liebt. Seine Liebe wandelt in immer
frischem Trieb durch die Welt. Sie ist immer im Heute und
ganz im Heute, aber alles tote Gestern und Morgen wird in
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