OFFENBARUNG
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Steigerungsfähiges. Wie und wo es diesen Trieb verwirk
licht, kann hier noch dahingestellt bleiben; notwendig aber ist,
und muß schon hier deutlich werden, daß es ihn hat.
Wie es zuvor die ursprüngliche Freiheit, die ungebändigte
Leidenschaft des mythischen Gottes war, die als göttliche
Schöpfermacht aus dem verborgenen Gott ans Licht des neuen
Tages bricht, so sucht nun auch jenes schicksalhafte göttliche
Wesen, die Moira des Gottes, sich einen Weg ins Freie.
Gottes innere »Natur«, die unendliche Meeresstille seines
Seins, hatte sich unter dem Anprall der innergöttlichen Tat
freiheit wohl zum Schicksal verdichtet und vergewichtigt; aber
immer war auch das Schicksal etwas Dauerndes gewesen; die
Moira wandelte ihren Spruch nicht; er mochte wohl erst im
Laufe der Zeit sich enthüllen, aber er gilt von Anfang; das
Schicksal ist Urgesetz, seine Künderinnen sind die ältesten im
Göttergeschlecht, und nicht zufällig meist weiblich; denn das
Mütterliche ist stets das, was schon da ist, das Väterliche
kommt erst hinzu; das Weib ist dem Manne immer Mutter.
Diese Dauerhaftigkeit und Uranfänglichkeit aber muß nun dem
Schicksal verloren gehen, wenn es aus dem Dunkel der gött
lichen Verborgenheit jetzt ins Helle bricht. Als wesenhaftes,
eigenschaftliches Sein war die Tatfreiheit in der Schöpfer
macht offenbar geworden; jetzt muß das schicksalgebundene
Sein in entsprechender Umkehr sich offenbaren als augen
blicksentsprungenes Geschehen, als ereignetes Ereignis. Schick
sal, das ereignishaft mit der ganzen Wucht des Augenblicks
hereinbricht, nicht verhängt von uran, sondern grade als Ver
neinung alles von uran Geltenden, ja als Verneinung schon des
Augenblicks, der unmittelbar diesem vorhergeht, Augenblick,
der in seinem eigenen engen Raume die ganze Schwere des
Verhängnisses hegt, eines Verhängnisses, nicht »verhängt«,
sondern plötzlich da und in seiner Plötzlichkeit doch unab
wendbar, als wäre es verhängt von uran, — was ist das?
Ein Blick auf das Geschöpf, das in Gottes Gleichnis und
Ebenbild erschaffen worden, lehrt uns, wie wir dies affekt