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ZWEITER TEIL: ZWEITES BUCH
seines Offenbarwerdens ist, wo bleibt dann in der Offenbarung
die gradezu greifbare Wirklichkeit, die der Gott im Heidentum
schon besaß? Aber besaß er sie denn wirklich? War sie
nicht hundertfältig gebrochen durch die unerschütterte All
macht des Vielleicht? Gewiß, die Tatsächlichkeit scheint von
dem Vielleicht nicht unmittelbar betroffen, aber schließlich ist
eine solche Tatsächlichkeit, die sich auf alle Fragen nach
ihrem Wie verleugnen läßt, doch auch keine sehr selbst
gewisse. Man darf vermuten, daß die Offenbarung, indem sie
die elementare Tatsächlichkeit Gottes nicht erkennen zu
können behauptet und diesen Gott als den »verborgenen« ab
tut, statt dessen nach einer ihr gemäßen, nicht in den Ele
menten, sondern in der einen Bahn der einen Wirklichkeit
selber begründeten Tatsächlichkeit trachtet, die über alles
Vielleicht in die Höhe schlechthiniger Sicherheit hinausgehoben
wäre.
Und so ist es. Wie der vorzeitliche Gott aus seinem
Nichts Ergebnis erst geworden war, so ist auch der verbor
gene Gott, als den der Glaube jenes Ergebnis der Vorwelt
allein zu sehen bekommt, nur der Anfang eines Geschehens,
dessen ersten Akt wir in der göttlichen Weltschöpfung schon
sahen. Die Schöpfung ist für Gott nicht bloß Schöpfung der
Welt, sondern auch etwas, was in ihm selber als dem ver
borgenen vorgeht. In diesem Sinn mußten wir die Schöpfung
schon als ein Offenbarwerden Gottes bezeichnen. Und zwar
offenbart er sich in ihr als Schöpfer, also in lauter Taten, die
nicht mehr wachsen, nicht mehr zunehmen, sondern im Anfang
und einfürallemal und also, was Gott angeht, nicht Taten,
sondern Eigenschaften sind. Soll nun das andre, was »außer«
der Schöpfung aus Gottes Verborgenheit hervorgeht, diese
einfürallemal freigesetzte, grenzenlose Unendlichkeit der gött
lichen Schöpfermacht ergänzen in Richtung auf einen Zu
sammenschluß jener Unendlichkeit zur tatsachenhaften Einheit,
so muß es etwas sein, was in sich den Trieb hat, die ganze
hingebreitete Unendlichkeit der göttlichen Macht nach und
nach zu durchlaufen, also etwas in sich Wachsendes, in sich