SCHÖPFUNG
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nicht unerschöpflich viel einfällt, und wessen Einfälle nicht
dennoch trotz dieser Unerschöpflichkeit unter sich durch das
Band jener Familienähnlichkeit zusammengehalten werden, der
wird immer höchstens ein »verhindertes« Genie sein.
U m das Gleichnis der Schöpfung, das uns das Kunstwerk
bietet, hier weiter und damit die erste Reihe Grund
begriffe der Kunstlehre zu Ende zu verfolgen, müßten wir nun
vorgreifen und Begriffe, die wir erst im nächsten Buch durch
sichtig machen können, vorwegnehmen. Denn die Kunstlehre
— und hier zeigt sich plötzlich wieder aufs deutlichste der
Unterschied von der Sprachlehre in diesem Teil — ist ganz
systematisch, nach dem Bilde eines Stammbaums. Gerade
daraus erhellt, daß sie nicht Organon sein kann, daß sie gegen
über der Sprache hier Gesprochenes ist. Alle Weiterentwick
lung eines einzelnen Begriffes — und nur das ist, als einzelnes
Glied des Menschen, die Kunst — muß stammbaumartig
geschehen können. Der Sprachlehre kann höchstens tabel
larische Form gegeben werden; selbst diese Form bringt bloß
nachträglich eine Ordnung hinein, die dem ursprünglichen
Hervorgang der Kategorien nicht entspricht. Denn dieser
Hervorgang geschieht ganz ursprünglich, ganz unmittelbar
identisch mit dem wirklichen Vorgang, den sie kategorisieren,
hier also mit der Schöpfung. Bei den weiteren Vorgängen
wird, der Eigenart des einzelnen Vorgangs entsprechend —
wirklich entsprechend —, die Reihenfolge der Kategorien
jedesmal ganz anders sein, obwohl jede Kategorie ihre
Geschwister innerhalb der andern Vorgänge hat, — nur eben
nicht an der gleichen Stelle. Die Tabelle ist also leicht heraus
zuziehen, aber nur indem man eine formelle Ordnung in den
Stoff bringt, der eben hier nicht als Stoff einer eigenen unter
geordneten Sprachwissenschaft auftritt, sondern als die ur
sprüngliche Symbolik der Wirklichkeit selber und deshalb in
engster »Identitäts«=Fühlung mit dieser Wirklichkeit erscheint.
Die Sprache ist kein eigener Inhalt hier, der nach einer
inneren Systematik sich entwickeln müßte, sondern die Be-